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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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überhaupt noch etwas wert?«
    »Ach, einen gewissen Wert hat es schon. Ich kenne mich in solchen Dingen natürlich nicht so genau aus, aber ich schätze, es würde für den Flug nach Chasm City reichen. Viel weiter allerdings nicht.«
    »Und wie komme ich nach Chasm City?«
    »Das ist nicht so schwierig, auch jetzt noch nicht. Nach New Vancouver im Orbit von Yellowstone verkehrt ein Shuttle. Dort müssten Sie sich dann ein Ticket für einen Raumkoloss kaufen, um auf die Oberfläche zu kommen. Was Sie an Geld haben, müsste dafür genügen, wenn Sie auf gewisse Annehmlichkeiten verzichten.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Nun, zuallererst hätten Sie keinen Anspruch darauf, wohlbehalten ans Ziel zu kommen.«
    Ich lächelte. »Dann kann ich nur hoffen, dass mich das Glück nicht im Stich lässt.«
    »Aber Sie haben doch nicht etwa jetzt schon vor, uns zu verlassen, Tanner?«
    »Nein«, antwortete ich. »Noch nicht.«
    Die Reisetasche enthielt noch zwei Dinge: einen dunklen flachen und einen zweiten dickeren Briefumschlag. Als ich letzteren auf dem Bett in der Hütte ausleerte, war Amelia schon gegangen. Der Inhalt – es war weniger als ich erwartet hatte – fiel heraus, doch es war keine Botschaft aus meiner Vergangenheit dabei, die mir die Augen geöffnet hätte. Meine Verwirrung stieg allenfalls noch mehr. Ein Dutzend auf mich ausgestellte Pässe und in Folie eingeschweißte Ausweise, alle zum Zeitpunkt meiner Einschiffung gültig, alle für irgendeinen Teil von Sky’s Edge und dem umliegenden Weltraum bestimmt. Einige waren nur bedrucktes Papier, andere waren mit integrierten Computerchips versehen.
    Vermutlich wären die meisten Menschen mit einem oder zwei solcher Dokumente über die Runden gekommen, wenn sie sich damit abgefunden hätten, dass es Regionen gab, in die man legal nicht einreisen durfte –, aber ich hätte mich, dem Kleingedruckten zufolge, ziemlich ungehindert in Kriegsgebieten und von der Miliz kontrollierten Staaten sowie im planetennahen Weltraum bewegen können. Papiere wie diese besaß man, wenn man viel unterwegs war und möglichst wenig behelligt werden wollte. Dennoch fielen mir einige Ungereimtheiten auf: kleine Abweichungen bei den Personalangaben, unterschiedliche Geburtsorte und frühere Aufenthaltsorte. Einige Pässe wiesen mich als Soldaten der Süd-Miliz aus, andere stempelten mich zum taktischen Berater der Nord-Koalition. Eine dritte Gruppe erwähnte gar nichts von einer militärischen Laufbahn – hier wurde ich als persönlicher Sicherheitsberater oder als Agent für eine Import-Export-Firma geführt.
    Dann kam die Erleuchtung. Aus dem Wust von Dokumenten formte sich ein klares Bild. Ich war ein Mensch gewesen, der wie ein Geist über die Grenzen huschen musste; ein Mann mit vielen Gesichtern und vielen – und wahrscheinlich meist fiktiven – Vergangenheiten. Ich ahnte, dass ich jemand war, der gefährlich lebte; jemand, der sich Feinde machte, wie andere Leute Bekanntschaften schlossen. Das hatte mich vermutlich nicht weiter gestört. Jemand wie ich konnte daran denken, einen perversen Mönch zu töten, ohne dass ihm der Schweiß ausbrach, und es dann doch sein lassen, weil der Mönch den kleinen zusätzlichen Energieaufwand einfach nicht wert war.
    Doch ganz hinten in dem Umschlag steckten unter dem Falz, sodass sie nicht gleich herausgefallen waren, noch drei weitere Papiere. Als ich sie vorsichtig herauszog, spürte ich an der glatten Oberfläche, dass es Fotografien waren.
    Auf dem ersten Bild war eine auffallend schöne schwarzhaarige Frau zu sehen, die mit einem nervösen Lächeln auf den Lippen am Rand einer Dschungellichtung stand. Es war eine Nachtaufnahme. Wenn ich das Bild schräg hielt und an ihr vorbeischaute, konnte ich gerade noch den Rücken eines Mannes erkennen, der ein Gewehr untersuchte. Er sah fast so aus wie ich – aber wer hatte dann das Foto gemacht, und warum trug ich es bei mir?
    »Gitta«, sagte ich; der Name war mir sofort wieder eingefallen. »Du bist Gitta, nicht wahr?«
    Die zweite Aufnahme zeigte einen Mann auf einer Piste voller Schlaglöcher mitten im Dschungel. Vielleicht war hier früher einmal eine Straße gewesen. Der Mann hatte eine große schwarze Waffe über der Schulter hängen und ging auf den Fotografen zu. Er trug ein Hemd und einen Patronengurt und hatte etwa meine Statur und mein Alter, doch das Gesicht war nicht das gleiche. Hinter ihm lag etwas quer über der Straße. Es sah aus wie ein umgestürzter Baum, endete aber in einem

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