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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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blutigen Stumpf, und die Fahrbahn war weithin mit einer dicken Schicht geronnenen Blutes bedeckt.
    »Dieterling«, sagte ich. Der Name sprang mich einfach an. »Miguel Dieterling.«
    Ich wusste sofort, dass er ein guter Freund von mir war, und dass er jetzt tot war.
    Ich nahm mir das dritte Foto vor. Es war nicht so intim wie das erste, und es erzählte auch nicht von einem fragwürdigen Triumph, sondern zeigte einen Mann, der offenbar nicht merkte, dass er fotografiert wurde. Das Bild war zweidimensional, mit einem Teleobjektiv aufgenommen. Der Mann ging rasch durch ein Einkaufszentrum, die lange Belichtungszeit ließ die Neonreklamen der Geschäfte zu Strichen verschwimmen. Auch der Mann war nicht ganz scharf, aber es reichte, um ihn zu erkennen. Und um ihn zu erfassen, dachte ich.
    Auch an seinen Namen erinnerte ich mich.
    Ich nahm den schwereren der beiden Umschläge und kippte auch seinen Inhalt auf das Bett. Viele scharfkantige Präzisionsteile fielen heraus, die mich förmlich einluden, sie zusammenzusetzen. Ich spürte, wie sich das Ding, zum Einsatz bereit, in meine Hand schmiegte. Es wäre nicht gut zu sehen; perlmuttfarben wie trübes Glas. Oder wie Diamant.
 
    »Das ist ein Blockadegriff«, erklärte ich Amelia. »Damit haben Sie mich bewegungsunfähig gemacht. Obwohl ich größer und stärker bin, kann ich im Moment nichts tun, ohne mir selbst heftige Schmerzen zu bereiten.«
    Sie sah mich erwartungsvoll an. »Was jetzt?«
    »Jetzt nehmen Sie mir die Waffe ab.« Ich nickte zu der kleinen Schaufel hin, die wir als Waffenattrappe verwendeten. Sie nahm sie mir mit der freien Hand vorsichtig aus den Fingern und warf sie von sich, als wäre sie vergiftet.
    »Sie machen es mir zu leicht.«
    »Nein«, sagte ich. »Der Druck auf diesen Nerv ist so schmerzhaft, dass ich genug zu tun hatte, die Waffe nicht gleich fallen zu lassen. Das ist einfache Biomechanik, Amelia. Mit Alexei werden Sie vermutlich noch leichter fertig als mit mir.«
    Wir standen auf der Lichtung vor der Hütte. Es war später Nachmittag oder was man im Hospiz Idlewild dafür hielt, das weiße Sonnenfilament im Zentrum des Habitats schwächte sich ab zu einem matten Orange. Die Abendstimmung war etwas ungewöhnlich, denn das ›Gestirn‹ blieb stets über uns, und ich vermisste den schmeichelhaft schrägen Lichteinfall und die langen Schatten eines planetaren Sonnenuntergangs. Aber wir achteten ohnehin kaum darauf. Ich bemühte mich nun schon seit zwei Stunden, Amelia einige Grundbegriffe der waffenlosen Selbstverteidigung beizubringen. In der ersten Stunde hatte sie versucht, mich ›anzugreifen‹, beziehungsweise irgendeinen Teil meines Körpers mit der spitzen Gartenschaufel zu berühren. Das war ihr die ganze Zeit kein einziges Mal gelungen, auch dann nicht, als ich absichtlich meine Deckung öffnete, um ihr eine Chance zu geben. So oft ich auch mit den Zähnen knirschte und mir vornahm, sie diesmal gewinnen zu lassen – sie schaffte es einfach nicht.
    Immerhin machte sie die Erfahrung, dass man mit der richtigen Technik einem ungeschickten Angreifer fast immer überlegen war. Mit der Zeit kam sie auch näher an mich heran, und als wir in der zweiten Stunde die Rollen tauschten, ging es schon besser. Ich nahm mich zusammen und bewegte mich so langsam, dass Amelia in aller Ruhe für jede Situation den richtigen Blockadegriff lernen konnte. Sie war eine ausgezeichnete Schülerin und eignete sich in einer Stunde an, wofür andere zwei Tage brauchten. Noch wirkten ihre Bewegungen unbeholfen – sie waren noch nicht ins Muskelgedächtnis übergegangen – und sie verriet ihre Absichten lange im Voraus, aber das waren Schwächen, die gegen einen Amateur wie Bruder Alexei kaum ins Gewicht fielen.
    »Sie könnten mir sicher auch zeigen, was ich tun müsste, um ihn zu töten?«, fragte Amelia schließlich. Wir hatten uns ins Gras gelegt, um etwas zu verschnaufen – oder genauer gesagt, um zu warten, bis sie wieder zu Atem kam.
    »Wollen Sie das denn?«
    »Nein; natürlich nicht. Ich möchte ihn mir nur vom Leib halten.«
    Ich schaute hinüber zur anderen Seite von Idlewild, wo winzig kleine Gestalten eifrig auf den Gartenterrassen schufteten, so lange es noch hell war. »Ich glaube nicht, dass er Sie noch einmal belästigt«, sagte ich. »Nicht nach dem, was in der Höhle passiert ist. Aber wenn er es tut, dann können sie ihm gehörig heimleuchten – und ich bin verdammt sicher, dass er danach aufgibt. Ich kenne diesen Typ, Amelia. Er wird

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