Chasm City
wie sie sich die Ikonographie unseres eigenen Glaubenssystems angeeignet haben, ganz und gar nicht billigen –, aber wir hatten lange nicht erkannt, dass es sich um einen viralen Infektionsmechanismus handelte, und dass die Menschen, die wir zu sehen bekamen, keine Haussmann-Kultisten waren, sondern deren Opfer.«
»Eine verfluchte Plage«, bedauerte mich Amelia. »Aber wir können Ihnen helfen, Tanner. Ich nehme an, Sie träumen immer wieder von Sky Haussmann.«
Ich nickte stumm.
»Nun, wir können das Virus ausschwemmen«, sagte Duscha. »Es ist ein schwacher Stamm, und mit der Zeit wird es auch von selbst verschwinden, aber wenn Sie wollen, können wir den Prozess beschleunigen.«
»Wenn ich will? Ich wundere mich, dass Sie es noch nicht getan haben.«
»Du meine Güte, das würde uns niemals einfallen. Immerhin könnte man Sie ja auch mit Ihrem Einverständnis infiziert haben. In diesem Fall hätten wir kein Recht, das Virus zu entfernen.« Duscha tätschelte den Roboter, der fuhr den Bildschirm wieder ein und tapste wie eine stählerne Krabbe leise klickend auf die Tür zu. »Aber wenn Sie es los werden wollen, könnten wir mit der Therapie sofort beginnen.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Fünf bis sechs Tage. Wir möchten die Fortschritte natürlich überwachen – manchmal sind einige Korrekturen erforderlich.«
»Wenn das so ist, dann muss es sich wohl von alleine totlaufen.«
Duscha schnalzte mit der Zunge. »Auf Ihre eigene Verantwortung«, sagte sie, erhob sich von meinem Bett und rauschte hinaus. Der Roboter folgte ihr wie ein Hündchen.
»Tanner, ich…«, begann Amelia.
»Ich will nichts mehr davon hören, verstanden?«
»Ich musste es ihr sagen.«
»Ich weiß, und das nehme Ihnen auch nicht übel. Sie sollen nur nicht versuchen, mir die Abreise auszureden, ist das klar?«
Sie sagte nichts, aber ich hatte meinen Standpunkt wohl hinreichend deutlich gemacht.
Anschließend trainierte ich noch eine halbe Stunde lang mit ihr. Es wurde kaum gesprochen, dadurch hatte ich viel Zeit, über Duschas Eröffnung nachzudenken. Inzwischen war auch die Erinnerung an Rothand Vasquez wiedergekommen. Er hatte mir versichert, nicht mehr ansteckend zu sein, aber er war der wahrscheinlichste Überträger. Dennoch konnte ich nicht ausschließen, dass ich das Virus auf der Weltraumbrücke aufgeschnappt hatte, wo sich die Haussmann-Kultisten in Scharen herumtrieben.
Duscha hatte auch gesagt, es handle sich um einen schwachen Stamm. Vielleicht hatte sie Recht. Bisher hatte ich außer dem Stigma nur zwei nächtliche Träume vorzuweisen. Sky Haussmann erschien mir nicht am helllichten Tag, und ich hatte keine Wachträume. Er war auch nicht zur fixen Idee von mir geworden, und nichts wies darauf hin, dass mir das noch bevorstand; ich spürte weder den Drang, mich mit irgendwelchem Krimskrams zu umgeben, der mich an sein Leben und seine Zeit erinnerte, noch fiel ich in religiöse Ekstase, wenn ich nur an ihn dachte. Er war einfach das, was er immer gewesen war: eine historische Figur, ein Mensch, der schwere Verbrechen begangen hatte und schwer dafür bestraft worden war, den wir aber nicht so leicht vergessen konnten, weil wir ihm außerdem eine Welt verdankten. Es hatte in unserer Geschichte schon früher Gestalten von zweifelhaftem Ruf gegeben, und auch deren Taten wurden in trüben Grautönen geschildert. Ich war nicht in Gefahr, zum Haussmann-Verehrer zu werden, nur weil sein Leben vor mir ablief, wenn ich schlief. Dafür war ich zu stark.
»Ich weiß nicht, warum Sie es so eilig haben, uns zu verlassen«, sagte Amelia, als wir eine Pause machten, und strich sich eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. »Sie haben fünfzehn Jahre gebraucht, um hierher zu kommen – was spielen da ein paar Wochen mehr oder weniger für eine Rolle?«
»Ich bin eben kein sehr geduldiger Mensch, Amelia.« Sie sah mich so skeptisch an, dass ich mich zu einer Rechtfertigung genötigt fühlte. »Sehen Sie, diese fünfzehn Jahre haben für mich nie stattgefunden – mir kommt es vor, als hätte ich erst gestern darauf gewartet, mich einschiffen zu können.«
»Trotzdem macht es verflixt wenig aus, ob sie Ihr Ziel eine oder zwei Wochen später erreichen.«
O doch, dachte ich, es macht etwas aus. Es macht sogar einen ganz entscheidenden Unterschied – aber ich durfte Amelia ja nicht die ganze Wahrheit erzählen, sondern musste mich gleichgültig stellen, so gut ich konnte.
»Ehrlich gesagt… ich habe einen triftigen Grund, so
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