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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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würde das ganze Szenarium zu unrealistisch für meine Zwecke. So hatte ich stattdessen intelligente Munition geladen. Jede Kugel enthielt einen Prozessor, der von dem gleichen Trainingsfeld angesprochen wurde wie Gittas Schutzbrille. Dieser Prozessor lenkte mit winzigen Gasfontänen die Kugel ab, wenn ihre Bahn allzu gefährlich wurde. War der erforderliche Winkel zu spitz, dann zerstörte sich die Kugel selbst und verpuffte in einer heißen Dampfwolke – nicht völlig harmlos, aber sehr viel besser als wenn einem ein Kleinkalibergeschoss mitten ins Gesicht flog.
    »Wie bin ich heute?«, fragte Gitta, als wir nachladen mussten.
    »Die Zielerfassung wird besser. Aber Sie halten immer noch zu hoch – zielen Sie auf die Brust anstatt auf den Kopf.«
    »Warum die Brust? Mein Mann sagt, Sie könnten einen Menschen mit einem einzigen Schuss in den Kopf töten, Tanner.«
    »Ich habe auch mehr Übung.«
    »Aber es stimmt doch – was man sich über Sie erzählt? Wenn Sie auf jemanden schießen mussten, konnten Sie…«
    »… bestimmte Gehirnfunktionen ausschalten«, vollendete ich. »Sie dürfen nicht alles glauben, was die Leute so reden, Gitta. Wahrscheinlich könnte ich gezielt eine Hirnhälfte treffen, mehr allerdings…«
    »Aber es lebt sich bestimmt nicht schlecht mit einem solchen Ruf?«
    »Das mag sein. Auch wenn nichts dahinter ist.«
    »Mein Mann würde solche Gerüchte hemmungslos ausschlachten.« Sie warf vorsichtshalber einen Blick nach hinten auf das oberste Stockwerk. »Sie dagegen spielen sie immer nur herunter. Aber dadurch werden sie für mich nur noch glaubwürdiger, Tanner.«
    »Ich spiele sie herunter, weil ich nicht will, dass Sie mich überschätzen.«
    Sie sah mich an. »Ich glaube nicht, dass die Gefahr sehr groß ist. Ich weiß schon, wie ich Sie einzuschätzen habe. Sie sind ein Mensch mit reinem Gewissen und arbeiten zufällig für jemanden, der bei Nacht nicht ganz so gut schläft.«
    »Ich bin auch nicht gerade ein Unschuldslamm, glauben Sie mir.«
    »Sie kennen Cahuella nicht.« Sie sah mir fest in die Augen; ich senkte den Blick und betrachtete angelegentlich die Waffe. Gittas Stimme wurde eine Oktave höher. »Aha, wenn man vom Teufel spricht.«
    »Geht es schon wieder um mich?« Cahuella trat auf die Terrasse. In seiner Hand glänzte etwas: ein Glas Pisco Sour. »Nun, wer wollte euch das verübeln? Und? Wie geht es mit dem Training voran?«
    »Ich denke, wir machen ganz ordentliche Fortschritte«, sagte ich.
    »Glaub ihm kein Wort«, protestierte Gitta. »Ich bin eine Katastrophe, Tanner ist nur zu höflich, um es auszusprechen.«
    »Was sich lohnt, ist nie ganz leicht zu erreichen«, konterte ich. Zu Cahuella sagte ich: »Gitta kann jetzt eine Waffe abfeuern und meistens zwischen Freund und Feind unterscheiden. Das ist keine Hexerei, aber sie hat schwer dafür gearbeitet und verdient Anerkennung. Wenn Sie allerdings mehr verlangen, könnten wir an gewisse Grenzen stoßen.«
    »Weitermachen kann sie trotzdem. Sie hat schließlich einen guten Lehrmeister.« Er nickte zu der Pistole hin. Ich hatte eben einen neuen Clip eingelegt. »He, zeigen Sie ihr doch mal Ihren tollen Trick.«
    »Welchen meinen Sie?«, fragte ich. Ich musste mich beherrschen. Normalerweise hütete sich Cahuella, meine mühsam erworbenen Fähigkeiten als Tricks zu bezeichnen.
    Cahuella trank einen Schluck. »Sie wissen schon, welchen ich meine.«
    »Schön, dann lassen Sie mich raten.«
    Ich programmierte die Pistole so um, dass die Kugeln bei gefährlicher Flugbahn nicht mehr abgelenkt wurden. Wenn er einen Trick sehen wollte, würde ich ihm einen zeigen – auch wenn ihn das teuer zu stehen kam.
    Normalerweise nahm ich die klassische Haltung ein, wenn ich mit einer Handfeuerwaffe schoss: die Beine leicht gespreizt, die Waffe in einer Hand, die zweite als Stütze darunter gelegt; beide Arme in Augenhöhe ausgestreckt und – bei Projektil-, nicht bei Energiewaffen – die Ellbogen durchgedrückt, um den Rückstoß abzufangen. Jetzt hielt ich die Pistole nur mit einer Hand auf Hüfthöhe wie ein Westernheld aus früherer Zeit seinen Trommelrevolver. Ich visierte auch nicht am Lauf entlang, sondern schaute von oben darauf. Aber ich hatte die Technik so gründlich geübt, dass ich dennoch genau wusste, wohin die Kugel ging.
    Ich zog den Abzug durch und setzte einen Schuss in eine der Hamadryaden-Skulpturen.
    Dann ging ich hin und sah mir den Schaden an.
    Das Gold war unter der Wucht der Kugel wie Butter zerflossen, aber

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