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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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geheimen Frachträumen oder zu Verstecken von blinden Kälteschlafpassagieren führten, die im letzten Moment von gegnerischen Regierungen an Bord geschmuggelt worden sein sollten. In manchen Passagen hatten Sky und seine Freunde sich waghalsige Mutproben geliefert, indem sie sich außen an die Züge hängten und mit dem Rücken an den vorbeirasenden Tunnelwänden entlang streiften. Jetzt war er älter geworden und blickte mit wehmütiger Verwirrung auf diese Zeiten zurück, einerseits stolz auf die Kühnheit, die sie bewiesen hatten, andererseits entsetzt, wie knapp sie dabei oft einem schrecklichen Tod entronnen waren.
    Das war eine Ewigkeit her. Inzwischen waren sie zu ernsthaften jungen Männern herangereift, die sich auf dem Schiff nützlich machten. In diesen neuen, mageren Zeiten musste jeder seinen Beitrag leisten, und Sky und seine Gefährten wurden regelmäßig dazu eingeteilt, Materiallieferungen zu den Arbeitern an der Säule und im Triebwerksbereich und wieder zurück zu begleiten.
    Normalerweise mussten sie auch beim Ausladen helfen und die Lasten von Hand durch Kriechgänge und Zugangsschächte dorthin befördern, wo sie gebraucht wurden. Kein reines Zuckerlecken also, auch wenn es vielleicht so aussah. Sky kam selten aus einer Schicht zurück, ohne sich irgendwo gerissen, geschnitten oder geprellt zu haben, und die körperliche Anstrengung hatte ihm zu unerwartet kräftigen Muskeln verholfen.
    Die drei waren ein seltsames Gespann. Gomez strebte eine Beschäftigung im Triebwerksbereich an und bemühte sich um Aufnahme in die heilige Priesterschaft des Antriebsteams. Hin und wieder durfte er mit der Bahn bis dorthin fahren, manchmal kam er sogar mit einem der stets flüsternden Techniker ins Gespräch. Den suchte er dann mit seinen Kenntnissen über die Physik des Magneteinschlusses und anderer Geheimnisse des Antimaterie-Antriebs zu beeindrucken. Sky hatte einige dieser Gespräche mit verfolgt und dabei festgestellt, dass die Techniker Gomez’ Fragen und Antworten nicht in jedem Fall verächtlich zurückwiesen. Manchmal zeigten sie sich sogar in Maßen beeindruckt und deuteten an, dass Gomez tatsächlich Aussichten hätte, eines Tages in die Reihen dieser sanften Kaste aufzusteigen.
    Norquinco war aus anderem Holz geschnitzt. Er hatte die Gabe, sich ausschließlich, ja geradezu zwanghaft in ein Problem zu vertiefen; ihn konnte alles begeistern und völlig mit Beschlag belegen, so lange es nur ausreichend vielschichtig und komplex war. Listen zu führen war seine Leidenschaft, seine ganze Liebe gehörte Seriennummern und Systemen aller Art. Kein Wunder, dass er sich am liebsten mit dem völlig unüberschaubaren Nervensystem der Santiago beschäftigte; den Computernetzen, die das ganze Schiff durchzogen und seit dem Start unzählige Male geändert, umgeleitet und wie ein altes Pergament immer wieder überschrieben worden waren – zum letzten Mal nach dem großen Blackout. Kaum ein normaler Erwachsener maßte sich an, mehr als einen winzigen Unterbereich dieses Labyrinths verstehen zu wollen, Norquinco fühlte sich dagegen zu seiner Gesamtheit hingezogen. Was für die meisten Menschen ans Pathologische grenzte, hatte für ihn eine morbide Faszination.
    Vielen Menschen war er deshalb nicht geheuer. Die für die Netzprobleme zuständigen Techniker gingen bei den meisten Störungen ausgetretene Pfade, und das Letzte, was sie brauchten, war jemand, der ihnen etwas effizientere Verfahren zeigte. Sie wehrten sich mit dem nicht ganz ernst gemeinten Argument, Norquinco würde sie noch arbeitslos machen – aber das war nur eine höfliche Umschreibung dafür, dass er ihnen unheimlich war. Deshalb ließ man ihn mit Sky und Gomez fahren, wo er weit vom Schuss war.
    »Die Caleuche.« Sky wiederholte das Wort. »Ich nehme an, der Name hat auch etwas zu bedeuten?«
    »Und das nicht zu knapp«, sagte Norquinco. Er hatte Skys verächtlichen Gesichtsausdruck richtig interpretiert. »Auf der Insel, von der meine Vorfahren kamen, gab es jede Menge Gespenstergeschichten. Die von der Caleuche war eine davon.« Norquinco war ernst geworden, seine übliche Nervosität war wie weggeblasen.
    »Und jetzt wirst du uns sicher gleich erzählen, was es damit auf sich hat.«
    »Die Caleuche war ein Gespensterschiff.«
    »Komisch, darauf wäre ich im Leben nicht gekommen.«
    Gomez stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. »Nun halt mal den Mund und lass Norquinco reden, ja?«
    Norquinco nickte. »Bei Nacht hörten die Leute immer wieder

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