Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
gestorben, aber dass einer aufgewacht war, das hatte es noch nie gegeben. Und sein Vater schien darüber keineswegs erfreut zu sein, sondern wirkte vielmehr tief besorgt.
    »Was ist so schlimm daran, Dad?«
    »Es ist einfach nicht vorgesehen, dass sie aufwachen, das ist alles. So etwas kann nur passieren, wenn es von vornherein so geplant war. Noch bevor wir das Sonnensystem verlassen hatten.«
    »Aber warum lässt du den Bereich räumen?«
    »Weil es etwas gibt, das mein Vater mir gesagt hat, Sky. Und jetzt tu du, was ich dir sage, entlade deinen Zug und sieh zu, dass du schleunigst von hier verschwindest, ja?«
    In diesem Augenblick glitt ein zweiter Zug aus der entgegengesetzten Richtung in die Bucht und blieb dicht vor der Bahn stehen, mit der Sky gekommen war. Vier von Titus’ Sicherheitsleuten stiegen aus, drei Männer und eine Frau, und schnallten sich die Plastikpanzer um, die für die Fahrt zu sperrig gewesen wären. Dies war fast die ganze einsatzfähige Miliz des Schiffes, Polizeitruppe und Armee in einem, dennoch waren die Leute nicht ausschließlich für die Sicherheitswache tätig. Der Trupp marschierte nach vorne zu einem anderen Waggon und holte weiß glänzende Gewehre heraus. Die Waffen wurden mit einer Vorsicht gehandhabt, die Unsicherheit verriet. Skys Vater hatte immer beteuert, es gebe an Bord keine Schusswaffen, aber davon hatte er den Jungen nie ganz überzeugen können.
    Sky hätte auch in anderer Hinsicht gern mehr über die Sicherheitswache der Santiago gewusst. Die kleine, straff geführte und sehr schlagkräftige Organisation seines Vaters faszinierte ihn. Aber man hatte ihm nie erlaubt, mit Titus zusammenzuarbeiten. Titus hatte dafür eine durchaus einleuchtende Erklärung: wie solle er weiterhin völlig vorurteilsfrei und fair urteilen können, wenn sein eigener Sohn in seiner Organisation eine Rolle spielte, ob er nun geeignet sei oder nicht – aber davon wurde die Pille nicht weniger bitter. Folglich veranlasste Titus, dass Sky ausschließlich zu Arbeiten eingeteilt wurde, die möglichst weit abseits von allem lagen, was mit der Sicherheitswache zu tun hatte. So lange Titus die Organisation leitete, würde sich daran auch nichts ändern, das war ihnen beiden klar.
    Sky ging zu seinen Freunden und half ihnen beim Abladen. Sie arbeiteten rasch, ohne die ausgefeilten Verzögerungstaktiken, die sie sonst anzuwenden pflegten. Seine Freunde waren nervös; hier war etwas Ungewöhnliches im Gange, und Titus Haussmann war kein Mensch, der Krisen sah, wo keine waren.
    Sky behielt auch den Sicherheitstrupp im Auge.
    Die Leute streiften sich Stoffbänder mit Kopfhörern über die kahlen Schädel, klopften auf die Mikrophone und überprüften die Funkfrequenzen. Dann holten sie gepanzerte Helme aus dem Zug, drückten sie sich auf den Kopf und justierten die Overlay-Monokel, die über ein Auge geklappt wurden. Jeder Helm war durch ein dünnes schwarzes Kabel mit dem Visier an der Oberseite des zugehörigen Gewehrs verbunden, die Gewehre konnten also abgefeuert werden, ohne dass der Schütze in Richtung des Ziels schauen musste. Vermutlich waren die Helme auch mit Infrarot- oder Sonar-Overlays ausgerüstet. Die wären hier in den dunklen Untergeschossen eine große Hilfe.
    Als die Soldaten alles zu ihrer Zufriedenheit eingestellt hatten, gingen sie zu seinem Vater, und der gab ihnen rasch und leise, mit einem Minimum an Dramatik, Anweisungen. Sky beobachtete, wie sich Titus’ Lippen bewegten; seit seine Untergebenen eingetroffen waren, strahlte er eine unerschütterliche Ruhe aus. Gelegentlich machte er eine knappe, präzise Handbewegung oder schüttelte den Kopf. Er hätte auch ein Kinderlied vorsingen können. Sogar der Schweiß auf seiner Stirn war getrocknet.
    Dann drehte sich Titus Haussmann um, ging zu dem Zug, mit dem seine Leute gekommen waren, und holte sich ebenfalls ein Gewehr. Nur ein Gewehr, weder Panzer, noch Helm. Die Waffe war wie die anderen weiß glänzend und hatte an der Unterseite ein sichelförmiges Magazin und eine schmale Schulterstütze. Skys Vater ging ruhig und respektvoll mit der Waffe um, aber nicht mit unbekümmerter Selbstverständlichkeit; eher wie mit einer Schlange, der man eben erst das Gift abgezapft hatte.
    Und das alles wegen eines einzigen Passagiers, der nicht mehr schlafen wollte?
    »Dad…«, sagte Sky und verließ abermals seinen Posten. »Was ist los? Worum geht es wirklich?«
    »Es ist nichts, worum du dich sorgen müsstest«, sagte sein Vater.
    Titus

Weitere Kostenlose Bücher