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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Akkordeonmusik über das Meer klingen. Manchmal lief das Schiff sogar in einen Hafen ein oder holte sich Matrosen von anderen Schiffen. Die Toten an Bord feierten ein Fest, das niemals endete. Die Besatzung bestand aus Zauberern; Brujos. Sie hüllten die Caleuche in eine Wolke, die ihr überallhin folgte. Manchmal wurde sie gesichtet, aber sobald man ihr zu nahe kam, versank sie unter den Wellen oder verwandelte sich in einen Felsen.«
    »Aha«, sagte Sky. »Dieses Schiff, das niemand deutlich sehen konnte – weil es ja in eine Wolke gehüllt war –, hatte also auch noch die Fähigkeit, sich in einen alten Felsen zu verwandeln, wenn jemand ihm zu nahe kam? Erstaunlich, Norquinco; wenn das keine Zauberei ist, dann weiß ich auch nicht.«
    »Ich behaupte ja gar nicht, dass es jemals wirklich Gespensterschiffe gegeben hat«, gab Norquinco gekränkt zurück. »Jedenfalls damals nicht. Aber heute, wer weiß? Vielleicht handelte der Mythos von einem Gespensterschiff, das erst noch kommen sollte?«
    »Das wird ja immer besser.«
    »Pass auf«, schaltete sich Gomez ein. »Wir vergessen die Caleuche und den Mumpitz mit dem Gespensterschiff. Trotzdem hat Norquinco in einer Beziehung nicht Unrecht. Warum soll es nicht möglich gewesen sein? Warum soll es kein sechstes Schiff gegeben haben? Mit der Zeit geriet es in Vergessenheit, und niemand wusste mehr, was er davon zu halten hatte.«
    »Wenn du meinst. Wenn man wollte, könnte man auch sagen, die ganze Geschichte ist ein einziges Lügengewebe, das sich die Besatzung eines Generationenschiffs aus Langeweile zusammengesponnen hat, um ihr Leben durch einen kleinen Mythos zu bereichern.« Sky hielt inne, als der Zug auf seiner Induktionsschiene ratternd in einen anderen Tunnel einbog. Die Schwerkraft stieg an, weil sie der Außenhülle etwas näher kamen.
    »Ach, jetzt sehe ich, wo dein Problem liegt«, sagte Norquinco und lächelte ein wenig. »Dein alter Herr, nicht wahr? Du willst das alles nur deshalb nicht glauben, weil dein Vater Leiter der Sicherheitswache ist. Und weil du den Gedanken nicht ertragen kannst, dass ihm etwas so Wichtiges entgangen sein sollte.«
    »Vielleicht weiß er es ja – hast du dir das schon einmal überlegt?«
    »Du gibst also zu, dass das Schiff tatsächlich existieren könnte.«
    »Nein, eigentlich…«
    Aber Gomez nun hatte sichtlich Feuer gefangen und unterbrach ihn. »Mir fällt es tatsächlich nicht schwer zu glauben, dass es einmal ein sechstes Schiff gegeben haben soll. Nicht nur fünf, sondern sechs Schiffe auszurüsten, wäre doch nicht so viel mehr Aufwand gewesen? Und danach – nachdem die Schiffe auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt hatten – könnte es zu einer Katastrophe gekommen sein… ein tragisches Ereignis, vielleicht auch ein Verbrechen, bei dem die ganze Besatzung und wahrscheinlich auch die Momios ums Leben kamen. Natürlich müsste noch genügend Restenergie vorhanden sein, um die verbliebene Antimaterie im Sicherheitsbehälter einzuschließen, aber dazu braucht man nicht allzu viel.«
    »Und?«, fragte Sky. »Das sollen wir alles so ohne weiteres vergessen haben?«
    »Angenommen, die anderen Schiffe hätten bei der Zerstörung des sechsten die Hand im Spiel gehabt, dann wäre es nicht schwierig gewesen, die Datenarchive der gesamten Flottille so zu manipulieren, dass jeder Hinweis auf das Verbrechen selbst, ja sogar auf die Existenz des Opfers gelöscht wurde. Und die damalige Besatzungsgeneration hätte schwören müssen, das Verbrechen vor ihren Nachkommen, unseren Eltern, geheim zu halten.«
    Gomez nickte begeistert. »Dann wären inzwischen nur noch Gerüchte übrig; halb vergessene Wahrheiten, mit Mythen verquickt.«
    »Und genau das ist die Situation«, stellte Norquinco fest.
    Sky schüttelte den Kopf. Er wusste, dass jeder weitere Einwand auf taube Ohren stoßen würde.
    Der Zug kam in einer der Ladebuchten zum Stehen, von denen aus dieser Teil der Säule versorgt wurde. Die drei stiegen vorsichtig aus und drückten knirschend ihre Klebesohlen an den Fußbodenbelag, um sich zu verankern. So dicht an der Rotationsachse war die Schwerkraft so gut wie aufgehoben. Gegenstände fielen zwar immer noch zu Boden, aber mit einer gewissen Verzögerung, und wenn man zu kräftig auftrat, stieß man sich leicht den Kopf an der Decke.
    Es gab viele solcher Buchten, und jede diente der Versorgung einer Gruppe von Momios. Um diesen Säulenabschnitt herum waren sechs Schläfermodule mit je zehn Kälteschlafkojen angebracht,

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