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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nur hin und wieder ein Wort zu verstehen war, wenn jemand aus der Gruppe die Stimme erhob. Immerhin stellte ich fest, dass sie Norte sprachen. Nur wenige Bewohner von Sky’s Edge beherrschten das Norte perfekt, aber fast jeder verstand es einigermaßen: es war die einzige Sprache, die über alle Parteigrenzen hinweg verwendet wurde und sich deshalb auch für diplomatische Annäherungsversuche oder für geschäftliche Verhandlungen mit Partnern von außerhalb eignete. Im Süden herrschte Castellano vor, die Hauptsprache der Santiago, wobei natürlich auch die anderen Sprachen der Flottille ihre Spuren hinterlassen hatten. Im Norden hörte man ein ständig wechselndes Kreol aus Hebräisch, Farsi, Urdu, Pandschabi und Englisch, dem Vorfahren des Norte, aber vor allem Portugiesisch und Arabisch. Die Aristokraten kamen mit Norte meist besser zurecht als der Durchschnittsbürger; es fließend zu sprechen galt als besonders kultiviert. Ich hatte es für meinen Beruf gebraucht – genau wie die meisten anderen Sprachen des Nordens. Außerdem konnte ich mich einigermaßen passabel auf Russisch und auf Canasisch verständigen.
    Mit Russisch und Norte käme ich, notfalls mit maschineller Unterstützung, wahrscheinlich auch im Glitzerband und in Chasm City zurecht, doch die Hauptsprache der demarchistischen Neugründer von Yellowstone war Canasisch, ein schwer zu fassendes Gemisch aus Quebecois-Französisch und Kantonesisch. Man sagte, wer wirklich fließend Canasisch sprechen wolle, brauche einen Kopf voller Sprachprozessoren – die Sprache sei einfach fundamental fremd und verstoße allzu drastisch gegen die im menschlichen Gehirn verwurzelten Regeln der grammatischen Tiefenstruktur.
    Das hätte mich vielleicht beunruhigt, wären die Demarchisten nicht die geborenen Händler gewesen. Seit mehr als zweihundert Jahren war Yellowstone das Zentrum des wachsenden interstellaren Handelsnetzes, speiste aufstrebende Kolonien mit Innovationen und sog dieselben Kolonien aus wie ein Vampir, sobald sie eine gewisse technologische Reife erlangt hatten. Für die Stoner war es schon aus wirtschaftlichen Gründen selbstverständlich, mit Dutzenden von fremden Sprachen zu jonglieren.
    Natürlich musste ich mit Gefahren rechnen. So weit hatte Vadim vollkommen Recht, aber es waren andere als die, auf die er angespielt hatte. Was ich zu befürchten hatte, war subtiler und ging darauf zurück, dass ich mit den Feinheiten einer Kultur nicht vertraut war, die der meinen um mindestens zweihundert Jahre voraus war. Dass ich infolgedessen verletzt würde, war weniger wahrscheinlich, als dass meine Mission kläglich scheiterte. Das allein war Grund genug, um mich in Acht zu nehmen. Aber ich hatte es nicht nötig, mir von einem kleinen Gauner wie Vadim ein fadenscheiniges Schutzversprechen zu erkaufen – mochte er nun über die entsprechenden Kontakte verfügen oder nicht.
    Etwas riss mich aus meinen Gedanken. Wieder war es Vadim, und diesmal sorgte er für beträchtliche Unruhe.
    Er war mit einem Mann handgemein geworden, der eben erst in das Gemeinschaftszentrum gekommen war. Die beiden rangen miteinander, ohne sich von der Wand zu lösen. Vadims Gegner schien sich zunächst behaupten zu können, aber etwas an Vadims Bewegungen – sie waren so träge, als langweile ihn die ganze Sache – verriet mir, dass er den anderen nur in Sicherheit wiegte. Die übrigen Passagiere bemühten sich mit Erfolg, das Handgemenge zu ignorieren; vielleicht waren sie froh, dass sich der Gauner ein anderes Opfer gesucht hatte.
    Dann schlug Vadims Stimmung blitzartig um.
    Im nächsten Moment klebte der Neuankömmling an der Wand und litt sichtlich Schmerzen. Vadims massiger Schädel schwebte dicht vor seinem verängstigten Gesicht. Der Mann wollte etwas sagen, aber er brachte kaum ein Murmeln zustande, bevor ihm Vadim den Mund zuhielt. Dann kam, ein widerlicher Anblick, seine letzte Mahlzeit langsam zwischen Vadims Fingern hervorgequollen. Der Fettwanst schüttelte sich vor Ekel, wich ein Stück zurück und fasste mit der sauberen Hand in den Wandriemen. Dann rammte er seinem Opfer dicht unter dem Brustkorb die Faust in den Magen. Dem Mann entfuhr ein heiseres Keuchen, die Augen traten ihm fast aus dem Kopf; er versuchte verzweifelt, Atem zu holen, bevor Vadim den nächsten Schlag landete.
    Doch Vadim war schon mit ihm fertig. Er wischte sich noch den Arm am Stoff der Wandverkleidung ab, dann nahm er die Hand vom Riemen und wollte sich abstoßen, um zu einem der

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