Cheffe versenken (German Edition)
würde.
»So, ihr Lieben«, ergriff sie das Wort. »Bernold lässt sich entschuldigen. Er hat einen Interviewtermin beim Westfalenkurier und mich gebeten, ihn heute Vormittag zu vertreten. Wir fangen am besten direkt mit Tagesordnungspunkt eins an. Frau Gellert, wie sieht es mit den Pressetexten aus? Haben Sie alles geschafft?«
Sämtliche Augen waren nun auf mich gerichtet. Als ich die Texte nahm, begannen meine Hände zu zittern.
»Bitte schön«, sagte ich und schob Yvonne die Seiten entgegen.
»Ist das alles?«, fragte sie schnippisch.
»Ja, das sind zwanzig Pressetexte, der Rest folgt im Laufe des Tages.«
»Im Laufe des Tages?«
Yvonnes Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen.
»Ähm, ja, es fehlen nur noch einige Angaben«, flunkerte ich. »Sobald ich sie habe, bringe ich sie Ihnen. Werfen Sie doch schon mal einen Blick auf die ersten Texte.«
»Habe ich es mir doch gedacht. Unfähig und unzuverlässig.« Yvonne Strowe sprang auf und pfefferte meinen Textstapel auf den Tisch.
»Ich weiß nicht, ob Sie mir am Freitag nicht zuhören konnten oder wollten. Die Aufgabenstellung lautete: ACHTUNDZWANZIG Pressetexte. Und zu jedem Produkt zusätzlich einen knackigen Werbetext für die Internetseite. Wo sind die, bitte schön?«
Heiliger Bimbam. Die Internettexte hatte ich total vergessen. Im Wochenendwirrwarr waren sie irgendwie untergegangen. Meine Herren, war die Strowe kleinlich. Ich brauchte eine schnelle Erklärung.
»Kein Problem. Sie liegen zu Hause fertig auf meinem Schreibtisch. Ich habe sie schon ausgedruckt.«
»So viel Dilettantismus habe ich noch nicht erlebt«, unterbrach mich Yvonne. »Sparen Sie sich Ihre faulen Ausreden. Sie können von Glück sagen, dass ich heute gute Laune habe. Ansonsten hätten Sie jetzt Ihre Sachen gepackt.«
Wie bitte? Wollte Miss Piggy mich rauswerfen?
»Sie wissen, dass nicht erbrachte Leistung ein Kündigungsgrund ist? Ich gebe Ihnen eine letzte Chance. Morgen früh liefern Sie mir A-L-L-E Texte komplett ab, ansonsten …«
Ich schluckte laut und traute mich nicht, in die Runde zu schauen. Für einen kurzen Moment war es völlig still.
Plötzlich spürte ich eine sanfte Berührung an meinem Bein. Alans Fuß strich langsam über meine Wade. Es war fast wie in meinem Traum. Mir brach der Schweiß aus, und ich schaute ihn an. Er lächelte mir zu. Mehr musste er jetzt nicht tun.
»Dann weiter im Programm«, quiekte Piggy Strowe. »Weiß jemand, wo Edith ist?«
»Sie hatte einen Unfall«, sagte ich leise. »Eine Explosion im Backstone, Samstagabend. Gestern konnte sie das Krankenhaus verlassen.«
»WAS?«, rief Jens Powalowski dazwischen. »Wie kann denn so etwas passieren? Die Arme. Was gehen denn hier für seltsame Dinge vor –«
Der struppige Bildredakteur war sichtlich erschüttert. Doch Yvonne ließ ihn nicht ausreden.
»Sie wird sich sicherlich im Sekretariat melden. Oder, wenn sie so pflichtbewusst ist, wie sie immer tut, an ihrem Arbeitsplatz erscheinen und die Texte für den Hamburg-Band abliefern. Ich hoffe es jedenfalls für sie.«
Mir wurde noch heißer, denn ich drohte fast zu platzen.
Edith war das Opfer eines Anschlags geworden, und Yvonne Strowe fiel nichts anderes ein als der langweilige Hamburg-Band?
Alan schien meine Wallung bemerkt zu haben, denn er tätschelte kurz meine Hand und flüsterte: »Reg dich nicht auf. Das lohnt sich nicht.«
»Was gibt’s denn da zu tuscheln?«, fuhr Yvonne dazwischen. »Alan, zeig uns bitte die Layout-Entwürfe für die Vorschau.«
Mit diesem Befehl löste Alan unsere Berührung und verteilte mit versteinerter Miene einige bunte Ausdrucke an die Kollegen. Ich sackte zusammen. Mein Arbeitstag war gelaufen.
Nach der Redaktionssitzung verließen alle zügig Wangerooge. Alan und ich blieben sitzen. Als wir allein waren, versuchte er mich aufzumuntern.
»Lass dich nicht ärgern. Yvonne macht sich nur wichtig. Ist ihr Hobby, jemanden vor anderen herunterzuputzen. Das kennen wir alle.«
Ich drehte mich zu ihm und schaute ihn fragend an.
»Wie hältst du das hier bloß aus?«
Alan warf einen kurzen Blick zur Tür, dann zog er mich an sich und küsste mich leidenschaftlich auf den Mund.
»So halte ich das hier aus. Ist doch ganz einfach.«
In diesem Augenblick trippelte Frau Heyster um die Ecke.
Mit einem lauten Klirren donnerte sie das Tablett auf den Tisch und begann das dreckige Geschirr abzuräumen.
»Frau Gellert, Ihre Kollegin Edith ist wieder im Büro. Sie war heute früh noch mal beim Arzt,
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