Cheffe versenken (German Edition)
Graf von Monte Christo sich gefühlt haben mochte.
Als ich an der Sonnenuhr eintraf, war Claassen noch nicht da. Ich setzte mich auf eine Bank und bestaunte die Wasserfontänen in den Zierteichen des Parks, die in kraftvollen Intervallen ihre nassen Muster in den Himmel spuckten. Das Rauschen beruhigte mich. So sehr, dass ich von dem kräftigen Schlag auf meinen Kopf nicht viel mitbekam.
Ich wachte von meinem eigenen Husten auf und lag auf dem Boden. Mein Gesicht berührte etwas Hartes, Trockenes. Mein Mund war voller Sand. Sämtliche Adern in meinem Kopf pulsierten. Als ich mich aufrichtete, fühlte ich ein warmes Rinnsal über mein Gesicht laufen. Ich wischte darüber und betrachtete meine Hand. Sie war rot.
Das Blut tropfte auf den staubigen Boden. Vorsichtig tastete ich über meine Haare. Am Hinterkopf bemerkte ich einen stechenden Schmerz.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich im Apothekergarten lag. Vor der Bank.
Benommen zog ich mich hoch und setzte mich hin.
»Oje, ein Notfall«, hörte ich eine krächzende Stimme hinter mir. »Haben Sie sich weh getan?«
Eine alte Frau mit grauen Haaren und einem angeleinten Pudel setzte sich zu mir. Sie nestelte in ihrer Handtasche, bis sie ein Taschentuch fand und es mir reichte.
»Danke, geht schon wieder. Keine Ahnung, was passiert ist. Ich habe hier gesessen und – rums – da lag ich.«
Die hutzelige Oma tätschelte meine Hand. Auf einmal erhellte sich ihr Gesicht.
»Ich kenne Sie doch!«, rief sie mit brüchiger Stimme.
Meine Wunde betupfend, betrachtete ich ihr Gesicht, konnte mich aber nicht erinnern, sie jemals gesehen zu haben.
»Sind Sie nicht dieses junge Ding aus dem Fernsehen?«
Sie kniff ihre faltigen Äuglein zusammen und grübelte.
Ich hatte keine Ahnung, wen sie meinte.
»Aus dem Fernsehen? Nein, bestimmt nicht. Da müssen Sie mich verwechseln.«
Ich schaute mich um und überlegte, was ich jetzt tun sollte. Die Polizei rufen und Anzeige erstatten?
»Warten Sie, ich hab’s gleich. Sie sind die Ferres!«
Hallo? Entweder die greise Dame hatte eine massive Hornhautverkrümmung oder nur noch ein letztes Espressotässchen in ihrem Schrank.
Mir fiel die Kinnlade runter.
»Könnte ich ein Autogramm von Ihnen bekommen? Sie sind so eine patente Schauspielerin.«
Das Grauen schüttelte mich so, dass mein Schädel noch stärker schmerzte.
»Es tut mir wirklich leid für Sie. Ich bin nicht die Ferres, ich bin die Gellert.«
Wäre die Dame nicht schon weit über achtzig gewesen, ich hätte mir überlegt, sie anstatt des Schlägers anzuzeigen.
»Aber sagen Sie, haben Sie vorhin jemanden gesehen im Apothekergarten?«
Die alte Dame war sichtlich enttäuscht. Sie holte ein zerknittertes Stofftaschentuch hervor und schnäuzte sich laut.
»Nein, hier an den Teichen habe ich niemanden gesehen.« Dann hielt sie kurz inne.
»Nur vorn, beim Durchgang zum Botanischen Garten, da waren Leute. Ein junger Mann so um die sechzig, das könnte der Ulrich Wickert gewesen sein.«
Da hatte aber jemand zu viele Klatschblätter gelesen.
»Dann noch eine Schulklasse – und zwei Frauen mit so neumodischer Kleidung. Ich kann Ihnen sagen. Schön sahen die nicht aus.«
Die Beschreibungen der verwirrten Oma halfen mir nicht weiter, und ich schnäuzte mich ebenfalls.
»Frau Gellert!«
Vor mir stand Henner Claassen. Er betrachtete meine Wunde und fragte mich entsetzt, was passiert sei.
»Wurden Sie bestohlen?«
Darauf war ich noch gar nicht gekommen. Ich griff in meine Jackentasche und ertastete Portemonnaie und Schlüsselbund. Auch mein Handy lag darin.
»Offensichtlich nicht. Aber ich kann mich an nichts erinnern.«
»Geht mir auch immer so«, funkte die promibewanderte Oma dazwischen. Dann starrte sie Claassen an und stand auf, so schnell ihre alten Knochen es zuließen. Mit einer umständlichen Handbewegung wedelte sie vor Claassen herum und machte einen Knicks. Claassen sah sie verdutzt an.
»Entschuldigen Sie, ich muss gehen«, säuselte sie unterwürfig. »Wenn ich meiner Schwester erzähle, dass ich Sie hier getroffen habe, wird sie mir das nie glauben. Aber eins sage ich Ihnen: Die Diana hätten Sie nicht betrügen dürfen. Das haben wir Ihnen ziemlich übelgenommen.«
Sie verbeugte sich noch einmal kurz und hinkte davon.
»Danke für Ihre Hilfe«, rief ich ihr nach.
»Ich verstehe nur Bahnhof«, sagte Claassen und betrachtete meinen Kopf von allen Seiten.
Dann erzählte ich ihm von den Geschehnissen, so gut ich mich erinnerte. Zum Glück war Claassen
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