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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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aalglatter Franzose, der sprach, als jongliere er Rosinen auf der Zunge, und der sich sehr empört zeigte über den mangelnden Takt der amtshandelnden Beamten.
    Unter den Gästen befanden sich ein bekannter deutscher Industrieller, ein Schweizer Kantonsrat, auch der Leiter eines renommierten Sinfonieorchesters, ebenfalls Schweizer, überhaupt sei die vornehme Schweiz dieses Jahr außergewöhnlich präsent und wolle verständlicherweise in Ruhe gelassen werden, die vornehme Schweiz, warum er nicht zulassen könne, daß … Der Manager informierte seinen Chef, den Skiweltmeister, und Boeckel informierte seinen Chef, den Oberstleutnant.
    Und diese standen sich nun gegenüber. Der Skiweltmeister erblödete sich zu der Frage, ob bekannt sei, was er für dieses Land geleistet habe. Straka, der fürs Skifahren wenig übrig hatte, dachte, daß viel eher das Land etwas für diesen Mann geleistet habe, erklärte aber, daß ihm die Bedeutung des Skiweltmeisters sehr wohl bewußt sei, er wisse aber nicht, was dies mit der Amtshandlung zu tun habe, die, nebenbei bemerkt, mit der nötigen Kontenance vonstatten gegangen sei.
    »Das finden Sie!« ereiferte sich der Weltmeister, dessen vergoldete Gesichtshaut sich auf dem polierten Metall unzähliger Pokale spiegelte. »Ich bin gespannt, wie das Ihr Polizeipräsident sieht, der – und das sei hier nebenbei bemerkt – nächste Woche unser Gast sein wird. Übrigens ein exzellenter Skifahrer.«
    Straka zuckte mit den Schultern. Diese Spielereien waren ihm nicht neu. Aber er hatte jetzt andere Probleme. Weshalb er den Gendarmen auf die Seite zog, um die weitere Vorgehensweise abzusprechen. Schüttengruber war nicht begeistert. Er wand sich geradezu. Es sei Silvester, und seine Männer hätten genug damit zu tun, die besoffene Jugend in Schach zu halten.
    »Die werden schon keinen von Ihren noblen Gästen grillen.«
    »Ich muß doch bitten«, sagte Schüttengruber mit gespielter Entrüstung. In der Tiefe seiner kleinen schwachen Seele war ihm die Vorstellung eines gegrillten Touristen gar nicht so widerwärtig.
    »Also, Kollege. Vergessen Sie einmal Ihren Skiweltmeister. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, finden wir vielleicht morgen eine Leiche. Das wäre doch auch nicht hübsch. Und dem Image ganz und gar unzuträglich. Nicht wahr.«
    Schüttengruber verstand. Zudem würde er Silvester nicht mit seiner Frau verbringen können, weshalb beinah so etwas wie Übermut in seine kleine schwache Seele einzog.
    Die benachbarten Gendarmerieposten wurden verständigt und die Beamten der ohnehin eingerichteten Verkehrskontrollen angewiesen, nach einer Person chinesischer Abstammung Ausschau zu halten. Aber Straka vermutete, daß sich Cheng noch immer in Schlagholzl oder zumindest der näheren Umgebung befand.
     
    Am nächsten Morgen saßen Straka und Schüttengruber am Stammtisch des Wirtshauses »Zum Günstling«, auch hier Vitrinen vollgestopft mit Pokalen. Sie rührten in ihrem Kaffee, der so dünn war, als wäre man mitten in Deutschland. Die über die gesamte Silvesternacht ausgedehnte Fahndung hatte nichts eingebracht.
    Schüttengruber fühlte sich noch immer unbehaglich in Gegenwart des Oberstleutnants aus Wien, dessen Selbstbewußtsein und Zielstrebigkeit ihm auf die Nerven ging, allein wie dieser mit den Honoratioren sprach, sehr auf die äußere Form bedacht, aber mit diesem Unterton, der immer klang wie: mein Gott, ihr Bauerndeppen. Aber hier hatten diese Deppen das Sagen, und es waren überaus kleinliche und nachtragende Potentaten, die über Schlagholzl mit dem Totalitätsanspruch eines Imperators regierten. Und für Schüttengruber war Schlagholzl nun mal das Zentrum der Welt.
    Boeckel und Wallinger traten ein. Sie hatten auch schon einmal mehr Spaß an ihrer Arbeit gehabt.
    »A Scheißkälten hot’s in dem Nest«, bemerkte Wallinger, und Boeckel beschwerte sich über die Begriffsstutzigkeit der Gendarmen. Nachdem sie sich mit einem Schnaps den Mund gespült hatten, schickte Straka sie zurück nach Wien, wohin die anderen schon eine Stunde zuvor aufgebrochen waren. Straka selbst wollte erst am Abend nachkommen. Schüttengruber seufzte unmerklich und rang sich endlich dazu durch, Straka darauf aufmerksam zu machen, daß man ihn, Schüttengruber, eigentlich noch vor der Aktion hätte benachrichtigen müssen, dann wäre es auch nicht zu derart unerfreulichen Zwischenfällen gekommen.
    Auch eine Wiener Mordgruppe habe sich an die Regeln zu halten.
    »Sie haben recht«, sagte

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