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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ausschließlich Herrn Cheng mitgebracht habe und zudem bezweifle, daß Patient und Krankenschwester sich gleichzeitig wohl fühlen konnten (sondern immer nur einer, auf Grund des Unwohlseins des anderen).
    Die Krankenschwester schenkte den beiden Herren ein Lächeln, das geeignet war, Stahlplatten zu zersägen und Schädeldecken zu sprengen, und verließ beschwingten Schrittes den Raum.
    Am Tag zuvor hatte Boeckel als erster Cheng vernommen. Einerseits, weil Straka seinem Vorgesetzten rapportieren mußte (und sich dabei eine Schelte holte, die er wie ein verdrecktes Hemd wegsteckte), andererseits, da er sich nicht sicher war, ob Cheng überhaupt mit ihm reden würde. Doch Cheng hatte sogar auf einem Besuch Strakas bestanden. Über Boeckel war Straka nun bereits informiert, was für eine absurde Geschichte da abgelaufen war.
    »Tut mir leid, Cheng. Wir haben schrecklich versagt. Sie hätten den besten Grund, mich hier hinauszujagen.«
    »Verdammt noch mal, wie denn«, grinste Cheng, »das einzige, was ich halbwegs bewegen kann, ist mein Arm.« Straka sah verwundert auf den Gips, der sich von den Fingerknöcheln bis zur Schulter hinaufzog.
    »Nein«, sagte Cheng, »ich meine den, den ich verloren habe. Ich spüre ihn nämlich noch. Und er fühlt sich gar nicht schlecht an. Er fühlt sich besser an als alles andere.«
    »Sie sind verbittert.«
    »Gerade soviel, wie angebracht ist. Hören Sie, Straka, ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Die Frau muß verdammt clever sein. Und verdammt kaltblütig. Und ganz schön verrückt. So was muß man sich ja erst mal ausdenken. Und wozu, frage ich Sie? Nur weil ich einmal kurz für Ranulph Field gearbeitet habe? Die Dame muß einen gewaltigen Schuß haben, ich meine in ihren Ganglien. Hoffentlich gibt sie sich überhaupt damit zufrieden, mir ein Krüppeldasein verschafft zu haben. Schließlich bin ich noch am Leben, ein bißchen lädiert zwar, aber sie könnte mir ja das Krankenbett unter dem Hintern anzünden. Apropos Hintern. Ich habe ein kleines Präsent für Sie. Wollte es nicht Boeckel geben. Wichtiges Beweismaterial sollte immer direkt an den Chef gehen.«
    Zwischen zwei steifen Fingern hielt Cheng dem Kriminalisten ein kleines Papierröllchen hin. Straka nahm es. Cheng zwang ein paar Falten auf seine Stirn. »Im Fernsehen, da nehmen sie so etwas immer nur mit der Pinzette oder stülpen sich vorher Plastikhandschuhe über.«
    »Im Fernsehen wissen sie zum Schluß auch immer, wer der Mörder ist.«
    »Eben.«
    Straka hielt das Röllchen in die Höhe, betrachtete es wie einen verschimmelten Weinkorken und fragte Cheng, welche Nachricht es beinhalte.
    »Keine Ahnung. Schließlich ist das Röllchen für Sie bestimmt. Es war ja nicht geplant, daß ich überlebe. Riechen Sie mal.« Straka hielt das Papier unter seine Nase und meinte: »Säuerlich.«
    »Die Lady hat es mir in den After gesteckt. Von Rechts wegen hätten Sie es dort herausziehen sollen. Aber ich wollte nicht warten, bis es zusammen … Sie verstehen. Die Krankenschwester war so nett.«
    »Danke.« Straka rollte den Zettel auf, betrachtete ihn kurz und gab ihn Cheng, der amüsiert auf das Papier sah.
     
    UND JETZT DIE PROMINENTEN
     
    »Die gleiche Handschrift«, sagte Straka. »Übrigens haben wir die anderen Schriftstücke von einem Spezialisten deuten lassen. Der findet, die Schreibart lasse auf einen Menschen schließen, der im höchsten Maße als ausgeglichen zu bezeichnen ist und dem für die Verarbeitung möglicher traumatischer Erlebnisse ein adäquates Ventil zur Verfügung steht. Man stelle sich vor, adäquates Ventil. Und diesen sogenannten Experten zahlen wir auch noch Geld.«
    »Ich frage mich, was für Prominente?«
    »Vielleicht Familienoberhäupter.«
    »Tja, Familien sind nun mal der Hort der Gewalt.«
    »Wir werden sehen. Sie erhalten auf jeden Fall Polizeischutz, damit Ihnen niemand Ihr Bett unterm Hintern anzündet.«
    »Großartig.«

8
    Das Angebot einer Armprothese, einer erstklassigen, die sozusagen alle Stücke spielt, wie ihm versichert worden war, schlug er aus. Er wollte keine Unversehrtheit vortäuschen, was bei seinem hinkenden Gang ohnehin nicht möglich gewesen wäre.
    Batman war in den zwei Monaten, die man gebraucht hatte, um Cheng wieder so halbwegs zusammenzuflicken, zuerst in die Obhut von Chengs Nachbarin geraten, wo aber drei fette, häßliche Kartäuser ihm das Leben vermiesten. Drei brutale Kaliber, denen sehr egal war, ob irgendwo auf der Welt irgendwelche Katzen verhungerten,

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