Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
setzte sich triumphierend wieder in den Sessel. Ich war jetzt hellwach.
»Tja, Mädelsabend?« Dabei hielt sie mir eine geöffnete Weinflasche entgegen und lächelte schief. Sie schenkte sich Wein nach und füllte ein zweites Glas, das sie mir in die Hand drückte. »Cheers, auf uns Frauen, die den Männern den Verstand rauben und sonst noch so einiges.«
Ich runzelte die Stirn und nahm einen großen Schluck. Der Wein rann warm und lieblich meine Kehle herunter und wärmte mich von innen. Ich machte es mir gemütlich und setzte mich an die Rückwand des Bettes, um sie besser sehen zu können. Olivia musterte mich. »Willst du mir jetzt vielleicht erzählen, was da zwischen dir und Lennox ist?« Sie legte den Kopf schief und klimperte mit ihren Wimpern.
»Hör zu, Olivia, ich weiß, dass du mich nicht besonders magst, aber …« Sie unterbrach mich mit einem Schnauben. »Ich hab nichts gegen dich. Ich habe etwas gegen die widrigen Umstände, in denen wir uns befinden. Sie sind ziemlich unbequem .«
»Aber du stichelst die ganze Zeit herum und lachst mich aus … und ...« Ich verstummte, weil mir die Worte fehlten. Olivia legte ihren hübschen Kopf in den Nacken und lachte tonlos auf. »Ich habe wirklich nichts gegen dich. Ich amüsiere mich halt gerne. Und auf deine Kosten kann man sich einfach köstlich amüsieren.«
Ich war durcheinander, wusste nicht, worauf sie hinauswollte. Ich wusste nicht, ob ich jetzt wütend werden sollte. War ich so lächerlich?
»Ich finde, du schlägst dich ganz gut zwischen den Fronten. Und was ist jetzt, erzählst du es?
Mich würde interessieren, ob er dir Träume stiehlt oder mit dir schläft , gegen jede Regel der Vernunft. Man weiß ja, wie gefährlich das werden kann in eurem besonderen Fall, nicht wahr? Das könnte ein böses Ende haben!« Sie sah mich eindringlich an, ich stierte zurück und verengte misstrauisch meine Augen.
»Lennox hat dir doch erzählt, dass er gefährlich für dich ist? Zumindest eine gewisse Zeit ...« Ich sah sie fragend an. Wollte sie mich etwa schützen? Das konnte ich nun gar nicht glauben. Mein Schweigen interpretierte sie als ein Nein und Zorn schlich über ihr Gesicht. Ungläubig beobachtete ich ihre Regung. »Also hat er es dir nicht gesagt?«
»Doch doch, hat er. Und wir schlafen nicht miteinander«, beeilte ich mich, die Situation klarzustellen.
Erleichterung huschte über Olivias Züge, bis sie ihre kühle ironische Maske wiederhatte. »Also bist du immer noch Jungfrau«, sinnierte sie.
»Wie bitte …?«, gab ich perplex zurück .
»Nichts, nicht wichtig.« Sie kam auf mich zu und setzte sich mit aufs Bett. Wir redeten noch so allerlei unverfängliches Zeug und zwischen den Zeilen las man einen Anflug von Herzlichkeit in Olivias Sätzen.
Gegen sechs Uhr kam Lennox, frisch wie der Frühling, von seinem Streifzug zurück. Wir hatten noch zwei Stunden, bis wir die Pension verlassen und die Pässe holen würden. Dann würde die Reise losgehen.
Als wir uns Punkt acht Uhr auf den Weg machten, nahm Olivia tatsächlich meine Hand und tänzelte anmutig neben mir her, nicht mehr wie sonst neben Ben. Lennox warf mir einen erstaunten Blick zu und ich zuckte nur unauffällig mit den Achseln. Ihr Vanillegeruch kitzelte mir in der Nase und ich unterdrückte ein Niesen. Ich konnte nie ganz verstehen, warum manche Frauen gern wie eine Nachspeise riechen wollen.
Mir erschien die Verwendung von Parfüm im Augenblick so unwichtig wie Seifenblasen und Luftballons auf einer Parlamentssitzung. Obwohl – wer wusste schon so genau, wozu das gut sein konnte.
Wir traten in die unerfreuliche Straße mit der kleinen Bar. Es waren heute mehr Menschen unterwegs, was vermutlich daran lag, dass die Herbstsonne schien und man keine Angst haben brauchte, einem würde der Himmel auf den Kopf fallen. Eine Gruppe Teens stand auf der anderen Straßenseite am Kiosk und grölte herum, verstummte kurz, als sie uns bemerkte und setzte ihre Unterhaltung anschließend doppelt so laut fort.
Lennox erinnerte uns daran, nicht unsere echten Namen preiszugeben. Wie beim letzten Mal, sollten wir uns nach Möglichkeit nicht mit Namen anreden. Es brauchte keiner zu wissen, dass wir uns in der Stadt aufhielten und uns Pässe machen ließen. Es war zwar für Zeitwandler und Hexer selbstverständlich, mit falschen Identitäten herumzulaufen, dennoch wollten wir keine Aufmerksamkeit erregen.
Wir traten, Lennox voraus, in die dunkle rauchige, nach abgestandenem Alkohol riechende
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