Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
Bar. Es war keiner zu sehen. Der Laden wirkte fast wie aus einer Geisterstadt. Kein Licht brannte, alte Zigarettenrauchschwaden hingen in der Luft und Staubkörner tanzten im Tageslicht, das durch die Tür hereingeworfen wurde.
Ich fühlte stechendes Unbehagen und umfasste Olivias Hand fester. Ben schritt durch den Raum und räusperte sich, um auf uns aufmerksam zu machen. Nur Stille dröhnte uns laut entgegen. Lennox füllte gerade seine Lungen mit Luft, um zu rufen, als unvermittelt eine Tür aufschwang und Antony uns zuwinkte.
Er grinste uns mit schiefem Gesicht entgegen und lotste uns einen düsteren Korridor entlang auf eine weitere Tür zu, die aussah wie eine Zellentür. Hinter dieser lag ein erstaunlich großzügiges Büro. Auffallend war das orientalische Flair dieses Raumes. Große Teppiche an den Wänden und auf dem Boden. Viele Kissen auf einem verschnörkelten Sofa, mehrere Malereien, ein riesiger Spiegel mit Bemalung am Rahmen. Es roch nach Gewürzen und Nelken. Meine Nase kribbelte und neben mir hörte ich Olivia niesen. Es gab kein Fenster, nur helle Lampen an der Decke, die tageslichtähnliches Licht verströmten.
Antony setzte sich an einen klobigen Schreibtisch und legte die Füße mit einem lauten Schnaufen auf dem Möbelstück ab. Lennox schloss die Tür hinter uns. Das Klicken der Klinke hallte viel zu laut in mir wider. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und sah mit Unbehagen wieder Lennox an. Er hatte eine kühle Maske aufgesetzt, Ben stand mit verschränkten Armen neben ihm. Sie bildeten eine Einheit aus Kraft und blickten gekonnt gleichmütig in Antonys Gesicht.
»Habt ihr die Kohle?«, brachte Antony, während er sich eine Zigarette anzündete, stockend, aber nicht minder selbstgefällig hervor.
»Erst die Pässe«, erwiderte Ben gelassen.
Antony maß ihn mit einem überheblichen Lächeln und kramte in einer Schublade. Vier Pässe schob er über den Schreibtisch in unsere Richtung. Lennox trat auf ihn zu und nahm sie in Augenschein. Ein zufriedener Ausdruck trat auf sein Gesicht und er griff nach dem Geldbündel in seiner Jacke. Die Tür in meinem Rücken knarrte und schwang auf. Auf Antonys Gesicht zeigte sich Unruhe. Gleichzeitig drehten wir vier uns alarmiert um. Ein auffallend selbstsicherer junger Mann in Lederklamotten stand in der Tür. Er hatte seine blonde Mähne zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden, eine Tätowierung am Hals kam aus einem schwarzen Shirt zum Vorschein. Er tat überrascht: »Oh … du hast Kundschaft.« Seine eisblauen Augen weiteten sich unter seiner markanten hohen Stirn und er tat entschuldigend. Sein Raubtierlächeln steigerte mein Unbehagen. Ich war mir sicher, hier einen weiteren Zeitwandler vor mir zu haben. Aber welcher Art konnte ich nicht sagen. Seine Aura flackerte dann und wann anthrazitfarben.
»Was willst du, man?«, fragte Antony angespannt. Er schien diesen Typen zu fürchten und rutsche nervös auf seinem Sessel herum.
»Hanna, richtig?«, fragte der Fremde plötzlich in die neuentstandene Stille. Ohne zu zögern wandte ich mich dem Fremden zu, auf dessen Gesicht sich ein triumphierender Ausdruck breitmachte. D as Erkennen meines Fehlers kroch mir im gleichen Augenblick eiskalt ins Bewusstsein. Ich hatte mich soeben verraten. Das berechnende Lächeln steigerte sich zu einem kalten Grinsen, das aussah, als würde er die viel zu weißen Zähne fletschen . Lennox trat zu mir und schob mich hinter sich. »Ein Trickster«, stöhnte Olivia an meiner Seite voller Unbehagen auf.
»So so. Ein Alb, eine Blutsaugerin und das im Augenblick wertvollste Halbblut der Geschichte, hier in meinem Stammlokal. Was für eine unglaublich angenehme Fügung.« Er taxierte mich kalt mit seinen Blicken. Ben war für ihn anscheinend nicht wichtig.
»Was soll der Scheiß, René, das sind meine Kunden.« Antony hatte die Füße von seinem Schreibtisch genommen und sich dahinter unsicher aufgestellt.
Lennox schob mich weiter hinter sich und zog an Olive, die sich katzenhaft an seine Seite heftete.
»Ihr könnt gehen, das Mädchen bleibt hier.« Die Augen des Typen, der sich René schimpfte, blitzten kalt auf und glitten über Lennox, Olive und Ben. Sein Lächeln war verschwunden, er winkte zwei bullig aussehende Typen herein. Ein Keuchen entrann meiner Kehle, als ich die Waffen in ihren riesigen Pranken sah. Eiswasser kroch mir die Beine hoch und ich unterdrückte ein Zittern. Der eine war unverkennbar auch ein Zeitwandler, der andere ein Mensch. Bens Miene
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