Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
hierher.« Olive hob mit spitzen Fingern angeekelt einen Topf aus der Spüle. Erschrocken fuhr ich zurück und unterdrückte einen Schrei. In dem Topf befand sich verdorbenes Fleisch inklusive sich windender Maden und Würmer. Selten hatte ich so etwas Ekelhaftes gesehen. Der Gestank trieb einem die Tränen in die Augen. Ich unterdrückte krampfhaft ein Würgen und wandte mich hastig ab. Olive ließ den Topf mit einem Scheppern wieder in die Spüle fallen.
»Man, Olive, bist du völlig irre?«, zischte Lennox ihr sauer zu und schlug sich mit der Hand vor den Kopf, was Olive damit quittierte, sich mit gespielt entsetztem Gesichtsausdruck mit der Hand vor den Mund zu schlagen, was wiederum dem stummen Mädchen tatsächlich ein fröhliches Glucksen entlockte. Wir alle fuhren erstaunt herum und sahen sie an, wie sie mit leuchtenden Augen die Situation verfolgte wie eine Sitcom. Allmählich lockerte sich die Stimmung und wir durchforsteten das ganze Haus, um festzustellen, dass Mister Whitkamp tatsächlich ausgeflogen war. Nur das Warum und Wie und ob freiwillig oder nicht, das blieb ein Geheimnis.
Wir richteten uns provisorisch ein und entfernten den schlechtriechenden Unrat. Es würde bald schon dunkel werden und allgemeine Müdigkeit machte sich breit. In der Küche war es nicht auszuhalten, weil Lennox und Ben sich die meiste Zeit mit eisigen Blicken traktierten. Olive stand mit unserem Mädchen am gusseisernen Herd und versuchte sich an einer Tütensuppe.
Vorsichtig betrat ich das kleine Wohnzimmer mit seinen unzähligen Bücherregalen. Es sah mit seinem Kachelofen, den alten Holzdielen und einem wurmstichigen alten Schrank genauso urig aus wie die Küche. Der Geruch von getrocknetem Flieder, der überall an den Decken baumelte, hing im ganzen Raum. Ehrfürchtig ließ ich meine Finger über die Buchreihen wandern, in der Hoffnung, irgendwo einen Hinweis auf meine Familie zu finden.
Ich fand ein Buch mit dem Titel Die Chroniken der Hexenwesen Englands und zog es heraus, um mich mit dem Wälzer in den Ohrensessel zu setzen. Es schien uralt zu sein. Die Buchstaben sahen anders aus, als ich sie kannte und ich musste mich sehr anstrengen, um die alte Schrift zu entziffern. Es wurden Stammbäume beschrieben, unter anderem auch der der Familie Cherryblossom. Die meisten Namen sagten mir natürlich nichts, bis auf die der Schwestern aus der Legende. Auffallend war, dass es fast nur Hexer gab. Auf jede Hexe kamen mindestens drei Hexer, was mich innerlich belustigte, denn wollten die Hexer eine Hexe zur Braut nehmen, konnten sie weder wählerisch sein, noch hatten sie gute Chancen, wenn sie sich nicht wirklich ins Zeug legten. Die Frauen hatten also einige entscheidende Vorteile auf ihrer Seite.
Meine Augen schmerzten und ich drückte sacht die Finger an meine Lider. Ziemlich schläfrig und entspannt kuschelte ich mich in den Sessel und dachte über Stammbäume und ihren Sinn und Zweck nach, als ich der Müdigkeit und ihrem Frieden die Hand reichte und davontrieb.
Ich befand mich in einem riesigen Festsaal. Die hohen Wände schimmerten in einem strahlenden Weiß und die Decke sah aus, als würde es sich um den freien Himmel einer sternklaren Nacht handeln. Ich sah mich staunend um und betrachtete mehrere Kristalllüster, die über den Köpfen der Anwesenden schwebten und den Saal mit ihrem weichen Licht erhellten.
Die Leute waren alle festlich gekleidet, die Frauen in Ballkleider, die Männer in feine Roben. Sie schritten erhaben an mir vorbei, nickten mir hoheitsvoll zu. Mein Blick glitt an mir hinab und er weitete sich erstaunt, als ich ein cremefarbenes elegantes Kleid an mir entdeckte. Meine Haare waren kunstvoll mit weißen Blüten am Hinterkopf arrangiert. Sanft legten sich kühle Hände von hinten an meine Hüften und zogen mich zurück. Ein unverkennbarer Wintergeruch hüllte mich ein, ich schloss die Augen und sog die Weichheit dieses Duftes ein. Lennox küsste sanft meinen Hals und ich erschauderte unter seinen schmetterlingssanften Berührungen. Verzaubert beobachtete ich die anderen Tänzer und vernahm die wunderschöne Musik eines Orchesters. Lennox’ Hände wanderten sacht über mein Satinkleid, hin zu meinem Oberschenkel und wieder herauf.
»Du bist eine wunderschöne Braut, weißt du das?« Braut … hatte er Braut gesagt?
Seine Stimme war nicht mehr als ein sanftes Wispern, das mir eine wohlige Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. Er küsste meinen Nacken und ich drückte mich ihm sanft
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