Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
entgegen.
»Willst du tanzen, Hanna?« Sanft drehte er mich zu sich um. Er sah umwerfend aus in einem dunklen Smoking, mit einem unwiderstehlichen schiefen Lächeln im Gesicht. Meinen Blick haltend, führte er mich erhaben durch die sich teilende Menge, die sich vor uns verneigte. Es waren unzählige Dämonen unter den Anwesenden. So viele auf einmal hatte ich noch nie gesehen. Eine Gruppe von Männern – es mussten Hexer sein – stand an einem riesigen Champagnerbrunnen und prostete Lennox zu. Er war ein vollendeter Tänzer und führte mich mit meiner Ungeschicklichkeit, als wäre ich eine Feder, getragen vom Wind, die sich ohne Zutun hier und da hingleiten ließ. Wir drehten uns immer wieder im Kreis, ich versunken in seine Augen, bis ich mitten in der Menge jemanden erkannte. Ich versuchte, die Gestalt nicht aus den Augen zu verlieren, während mich Lennox immer wieder im Kreis führte. Mir den Hals verrenkend, versuchte ich zu erkennen, um wen es sich handelte. Mir kam es wichtig vor zu wissen, wer es war.
Jetzt konnte ich es sehen, das stumme Mädchen im geblümten Kleid. Sie stand stocksteif in der Menge, ihre langen braunen Haare wogen um ihr kleines Gesicht, als schwebe sie schwerelos im Raum. Alle anderen tanzten um sie herum, schienen sie nicht wahrzunehmen, machten aber dennoch einen großen Bogen um sie. Ich runzelte die Stirn. Etwas war beunruhigend an ihr, Unheil verkündend. Lennox strich mir sanft über den Rücken. Ich versuchte, mir meinen Pessimismus auszureden, ermutigt von der Vorstellung, dass sie auch lediglich ein Gast dieser Veranstaltung sei.
Mit einem Mal verstummte das Orchester. Alles erstarrte, alle Zeitwandleraugen und mein Blick trafen den des Mädchens. Auf mir lastete ein ungeheurer Druck, ich konnte nur noch sie anstarren, alles andere nahm ich nur aus den Augenwinkeln wahr. Keine Bewegung war mir möglich. Sie erhob sich langsam schwebend in die Höhe, ihre Fußspitzen berührten nur noch dann und wann den Boden. Sie füllte ihre Lungen tief mit Luft und schrie. Mit verzerrtem Gesicht und verdrehten Augen bog sie sich nach hinten und schwebte, als wäre sie unter Wasser. Ihre Haare drehten sich unwirklich wie kleine Schlangen um ihren Kopf. Der Schrei war so durchdringend und schmerzhaft, dass ich die Hände auf meine Ohren pressen wollte, ich konnte mich jedoch nicht rühren. Ich tauchte in Eiswasser und mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich ihre Stimme in meinem Kopf vernahm. Der Krieg beginnt und der Tod klopft an die Tür , sang sie mir zu, mit einer glockenklaren, fast noch kindlichen Stimme. Der Krach in meinem Kopf schwoll mit unglaublicher Geschwindigkeit an, sodass ich glaubte, es nicht länger aushalten zu können, bis er urplötzlich verklang. Das Mädchen war verschwunden. Alle bewegten sich, als wäre nichts gewesen. Das Orchester spielte und das absurd plötzliche Panikgefühl war ausgelöscht, als hätte es nie existiert. Benommen sah ich mich um.
Lennox zog mich an sich und legte seine Lippen zart an meine Wange, um sich langsam wieder zu lösen.
»Amüsierst du dich?«, fragte eine Stimme, die nicht Lennox gehörte und ich stellte überrascht fest, dass er verschwunden war. Ben tanzte mit mir und drehte mich urplötzlich um sich, sodass ich aus dem Takt kam. Ich blinzelte verwirrt.
»Wo ist Lennox?«, fragte ich, als mein Blick erneut auf die uns zuprostenden Hexer fiel. »Dieses Fest ist für die Hochzeitsgäste.« Er sah mich eindringlich an, in seiner Miene lag etwas Warnendes . Ein Bienenschwarm surrte unangenehm in meinem Bauch auf, ich wich von Ben zurück.
»Wie meinst du das?« Ich kniff die Augen zusammen, blinzelte und wollte mich ihm weiter entziehen, obwohl er trotz allem eine unheimliche Anziehung auf mich ausübte.
Er kam näher und zog mich bestimmend an sich, ich spürte seine Lippen an meinem Ohr, wie sie sich bewegten. »Du bist Mein , wach endlich auf, Hanna«, wisperten sie. »Wach auf , Hanna! Wach auf!!«
Mit einem Ruck schrak ich auf und versuchte in wütender Aufruhr, meine Arme zu befreien, die fest nach unten gedrückt wurden. Ich sah in Bens amüsiertes Gesicht und ließ mich zurücksinken. Haare klebten schweißnass an meiner Stirn und ich konnte sie nicht aus meinem Sichtfeld bekommen. »Warum hältst du mich fest?«, giftete ich ihn nervös an.
»Als ich dich wecken wollte, hast du versucht, mich zu schlagen.« Er lächelte entschuldigend, gab mich aber nicht frei. Misstrauisch blinzelte ich ihn an und schob ihn
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