Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
Watte wahr. Ben hatte mich fest im Griff und schleppte mich über die Wiese den Hügel hinauf. Vor meinem inneren Auge sah ich das Haus brennen, in dem sich vielleicht noch Lennox befand. Ich wollte zurück, konnte aber nicht reagieren.
Wir waren schon fast auf dem Hügel angekommen. Wind sauste über mich hinweg, trug Ruß und Asche mit sich, meine Haare flogen herum. Unter mir das brennende Tal, in mir Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit. Ich erkannte den weißen Baum mit seinen sonderbaren Ästen, die pinselartig in den Himmel ragten und im orangefarbenen Schein der Flammen aus dem Tal schimmerten. Erschöpft sah ich in Bens verbissenes Gesicht und dann zurück in das Brennen des Tals und zum Haus.
Das ist falsch! Das ist alles vollkommen falsch! , flüsterte eindringlich die Stimme in meinem Kopf. Ich wand mich unter Bens Griff, doch er verstärkte sich. Es war fast wie in meinem Traum, den ich immer und immer wieder gehabt hatte. Und dennoch war er völlig falsch. Der Wind riss an meinem Haar und an meiner Kleidung, ich sah auf und vernahm jetzt erst den Lärm von kreisenden Rotorblättern eines Helikopters. Er senkte sich und ich erkannte sofort meinen Vater, der Ben bedeutete, näher heranzutreten, um mich zu ihm hochzuschieben.
Ich wollte zurück zum Haus, ich würde nicht in diesen verdammten Helikopter steigen, bevor ich nicht Lennox gefunden hatte.
»Wir müssen zurück«, brüllte ich Ben über den Lärm des Helikopters hinweg zu und versuchte, mich aus seinem Griff zu winden. Ich rutschte aus, er fing den Sturz ab und zog mich mit ungeheurer Gewalt wieder an sich heran. Er schüttelte verbissen den Kopf. Seine Schusswunde an der Schulter machte ihm schwer zu schaffen, er zog mich wütend mit sich. Seine Hände umklammerten mich mit brutaler Kraft, obwohl ich gar nicht versucht hatte, mich erneut zu befreien. Ich warf wieder einen Blick zurück und konnte nicht fassen, was ich sah. Louisa taumelte aus dem Haus und kam auf uns zugelaufen.
» Sieh doch! Sieh hin, verdammt! «, schrie ich Ben entgegen. Als er sich endlich dem Haus noch einmal zuwandte, riss ich mich los und rannte auf das Haus zu, vorbei an Louisa, die mich mit aufgerissenen Augen anstarrte. Ben stürmte hinter mir her, schrie meinen Namen. Ich taumelte und stolperte den Hang hinab, als ich begriff, was sich tat. Ich stoppte panisch und warf meinen Körper in genau dem Moment zurück, in dem das Haus vor mir explodierte. Ich sah die Trümmer, die in die Luft katapultiert wurden und Brocken, die auf mich zurasten. Schreiend versuchte ich noch auszuweichen und mich hastig auf den Bauch zu drehen, als mich etwas hart am Hinterkopf traf und die Schwärze mich verschluckte.
Sicherheit?
In einem dunklen Nichts trieb ich umher, wie ein Schiff auf hoher See. Hin- und hergeworfen von Fetzen meiner Erinnerung, hier und da tauchten Gesichter auf und Stimmen, die meinen Namen riefen. Ich weigerte mich, aus diesem Nichts aufzutauchen, denn ich fürchtete mich vor dem, was mich erwartete und vor der schrecklichen Gewissheit, dass ich ohne Lennox Blue Bell Hill verlassen hatte. Also ließ ich mich wieder sinken, ließ mich weitertreiben und versuchte, unter unangenehmen Gedanken hinwegzutauchen, wie unter zu hohen, sich brechenden Wellen.
Wie durch Nebel spürte ich eine Berührung an meiner Wange, kniff die Augen fester zusammen und versuchte, mich tiefer zu zwingen. Ich bekam lediglich mehr Auftrieb und tauchte immer näher ans Licht des Bewusstseins. Verzweifelt versuchte ich, es zu verhindern, als ich schließlich klar und deutlich die Stimmen vernahm. Ich versuchte, mich tot zu stellen, atmete ruhig und flach weiter. Ich wollte niemanden sehen und hören.
»Hanna, wach auf. Du schläfst schon fast vierundzwanzig Stunden. Du musst etwas trinken und essen.« Es war Ben, der beschwörend auf mich einredete und meine Wange zärtlich streichelte.
Hinter meinen Lidern sammelten sich die Tränen. Wo war Lennox? Ich hatte Angst, nach ihm zu fragen. Krampfhaft hielt ich die Luft an, als sich ein Schluchzen in meiner Kehle festsetzte und mich zu ersticken drohte. Die Tränen liefen aus meinen geschlossenen Lidern und rannen wie Sturzbäche meine Wangen hinab, bis zu meinen Ohren. Ich biss mir auf die Lippe und sah auf. Meine Sicht war verschleiert, doch ich erkannte Ben.
Er zog mich vorsichtig hoch und drückte mich an sich. Ich fing laut an zu weinen und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Leise raunte er mir beruhigende Worte zu, ich
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