Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
und sezierte mich mit ihrem Blick. Nagende Unruhe machte sich in mir breit, als ich versuchte, mich auf meinem Stuhl größer zu machen. »Wie soll es mir gehen? Ich bin hier gegen meinen Willen.«
Die Frau brachte meine kindische, von Trotz gesteuerte Seite zum Vorschein, von der ich eigentlich wusste, dass sie mir rein gar nichts bringen würde. Sie war mir jetzt schon so sympathisch wie eine Giftnatter in meinem Bett.
»Hanna, ich bin Kriminalpsychologin. Wir werden uns ein wenig länger unterhalten müssen.«
»Da muss ich erst auf meinen Terminkalender schauen«, ätzte ich. Im Grunde war ich Autoritätspersonen gegenüber nicht so unverschämt, aber diese Frau brachte etwas in mir zum Schwingen.
»Hanna, wo ist Henry Cherryblossom?«
Jetzt war ich ernsthaft irritiert. »Ich dachte, das würden Sie mir sagen.« Ich runzelte die Stirn und verspannte meine Schultern zusehends, bis mein Nacken begann zu kribbeln .
»Er hat zwei wertvolle und gefährliche Artefakte aus dem Forschungslabor in Genf entwendet und ist nicht auffindbar. Ich hatte gehofft, Sie wüssten vielleicht, wo er sich aufhält.« Sie machte eine bedeutungsschwere Pause und drückte ihren Blick tiefer in meinen. »Und Ihr Vater, Dominik Dawn, ist auch nicht zu erreichen. Obwohl seine einzige Tochter in einer ziemlich , sagen wir mal, prekären Lage steckt .« Sie zuckte gleichgültig die Achseln und machte eine ironische Miene. Schön, dass sie das mit meiner Lage noch einmal ansprach, ich hatte fast vergessen, warum ich in der Anstalt war.
»Hanna, Sie haben Ihren Freund erschlagen. Sie sind in gr ö ße ren Schwierigkeiten , als Sie vielleicht annehmen . Auch wenn alles nach Notwehr aussieht und Sie auch darauf plädieren werden. Es gibt Dinge, über die Sie Bescheid wissen sollten. Dinge, die Ihr Leben verändern werden. «
Mir wurde schlecht und meine Hände fingen an zu zittern. Die Art, wie sie Dinge aussprach, machte mir Angst. »Ich habe ihn nicht umgebracht, es war ein Unfall. Haben Sie den Zeugen immer noch nicht? Wie machen Sie eigentlich I hren Job?« Mir entging das Funkeln in ihren Augen keineswegs. »Er hat mir geholfen und diese – diese Frauen verscheucht, er kann bezeugen, dass ich nicht Mark mit dem Stein treffen wollte. Ich wollte ihn retten. Ich …«
Unwirsch fuhr sie über den Mund und versuchte anschließend, ihre offensichtliche Feindseligkeit mir gegenüber mit einem milden Lächeln zu kaschieren. »Es gibt keinen mysteriösen Helfer, Hanna. Zeugen sagen aus, dass man S ie mit Blut an den Händen wimmernd vor I hrem toten Freund gefunden hat. Und S ie hatten ein Motiv. Er hatte S ie verletzt, Hanna. Er hatte S ie kurz zuvor wegen einer anderen verlassen. Das tut weh. Vielleicht wollte er mehr Intimität als S ie, und die Lage ist eskaliert. War das ein Thema zwischen I hnen?« Sie lehnte sich überlegen in dem Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und fixierte mich kühl.
»Großer Schwachsinn! Wenn S ie genügend recherchiert h ätten , müssten S ie wissen, dass Mark so nicht ist …« Hart auflachend unterbrach sie mich.
»So war … e r lebt nicht mehr.«
Ich konnte es nicht fassen, wie gezielt dieser Seitenhieb ausfiel und sie genau abwartete, wie ich darauf reagier en würde . Bloß einen kühlen Kopf behalten, sonst dreht die dir die Worte im Mund herum, dachte ich mir und versuchte, mich gerader auf meinen Stuhl hinzurücken.
»Er hat … Entschuldigung, hatte es auch nicht nötig, jemanden zu zwingen , will ich damit sagen . Und wir waren nur Freunde. Ich hatte kein Problem mit ihm. Und er nicht mit mir.« Mir blitzte kurz die Frage durch den Kopf, ob meine Argumentation klug war oder mich in noch mehr Schwierigkeiten bringen konnte, und ich schwieg.
»Großer Kummer kann einen psychotischen Schub auslösen. Vielleicht haben Sie halluziniert und Ihren Freund deshalb erschlagen? Ein paar Wochen zuvor sind Sie mit einer A rt Nervenzusammenbruch ins Sankt-Joseph-Krankenhaus eingeliefert worden. Und bei Ihrer Vorbelastung …«
»Moment, Verdacht auf Epilepsie «, warf ich ein. »Es handelte sich nicht um einen Nervenzusammenbruch.«
Ich versuchte, den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken. Unter gar keinen Umständen wollte ich weinen und dieser Frau zeigen, wie sehr ich mit dem Rücken zur Wand stand.
»Was meinen Sie mit Vorbelastung ?« Meine Stimme brach ein wenig und ich räusperte, um mich zu sammeln.
»Ich meine Ihre Mutter , Hanna. Sie ist schließlich für Lebzeiten in einer
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