Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
solchen Einrichtung, wie Sie es zur Zeit sind.« Lauernd beobachtete sie mich, musterte mich mit ihren Blicken .
»Meine Mutter ist … tot«, meine Stimme zerfiel nun endgültig .
»Emily, ihre Zwillingsschwester, und Sarah sind tot. Ihre Mutter lebt.«
»Meine Mutter ist vor dreizehn Jahren bei einem Autounfall in Cornwall gestorben, ich habe schwer verletzt überlebt. Und ich habe keine Schwester! « Jetzt schrie ich, um meiner brüchigen Stimme Kraft zu verleihen. Mein Herz klopfte schmerzhaft. Warum quälten diese Menschen mich mit solchen Lügen? Wollten sie sehen, ob ich ausrasten und ein Massaker anrichten würde? War das eine Art skurriler Test?
»Nein, natürlich nicht mehr. Ihre beiden Schwestern sind tot, Hanna! Emily war fünf, wie Sie damals. Und Sarah war grade einmal vier Monate alt. Sie wurden schwer verletzt, als Ihre Mutter Ihre Schwestern ermordete und auch Sie versuchte zu töten , Hanna .«
Ein Wimmern drang über meine Lippen und ich wog mich sacht vor und zurück. Meine Arme umklammerten meine Mitte, um mich vor dem auseinanderbrechen zu schützen. Warum nur war ich nicht sicher, dass diese Person log? In dem einen Augenblick versuchte ich noch, die Kontrolle über mich zurückzuerlangen, in dem ich angestrengt aus dem Fenster hinter Frau Hagedorn sah und mich zwang, die Blätter an der großen Eiche davor zu betrachten. Und dann brach der Sturm in mir los.
» Warum erzählen Sie mir solche Lügen!? «, brüllte ich und sprang so abrupt vom Stuhl, dass er scheppernd zu Boden fiel. Frau Hagedorns Augen weiteten sich, ein Lächeln zuckte in ihrem Gesicht und sie sprang ebenfalls auf. Sofort wurde eine Tür aufgerissen und ein Pfleger kam mit der Chefärztin herein. Frau Hagedorn musterte mich ruhig.
»Ich sagte Ihnen doch, Sie sollen behutsam vorgehen!« Wütend ging die Chefärztin auf Frau Hagedorn zu und forderte sie auf, zur Seite zu treten . Der Pfleger stand etwas abseits und lauerte darauf, dass ich einen Fehler beging.
»Hanna, möchtest du eine Beruhigungsspritze?«
»Nein.« Tränen standen mir in den Augen, ich sah hilfesuchend in Frau Theodins vertrautes und warmes Gesicht. »Ist das wahr, was Frau Hagedorn sagt, dass meine Mutter …« , meine Stimme brach und meine Lippen bebten.
»Hanna, wir wollen Ihnen etwas zeigen. Sie müssen jetzt stark sein. Es ist wichtig, dass Sie sich damit auseinandersetzen, dass Ihre Mutter krank ist und Ihnen und Ihren Schwestern etwas Furchtbares angetan hat.«
Es wurde ein Videoband abgespielt. Eine Frau saß in einem Raum, der mit Gummimatten ausgepolstert war, auf ihrem Schoss drei Puppen. Ihre ergrauten Haare standen wirr von ihrem Kopf ab und verdeckten durch ihre gebückte Haltung einen Teil ihres Gesichtes. Leise sang sie den Puppen etwas vor, schaukelte sie vor und zurück . Ihre weiche Stimme, mit der sie summte, traf mich wie ein Schlag in den Magen. Ich hielt die Luft an.
Plötzlich sah sie auf, direkt in die Kamera. Ich erkannte ihre Augen sofort wieder. Hunderte Male hatte ich Fotos von meiner Mutter gesehen. Auch, wenn ihr unsteter Blick und die Augen stumpf wirkten, ihr Gesicht alt und verbraucht aussah , wusste ich, dass sie meine Mutter war.
Nachdem Frau Theodin mich mit einer Beruhigungstablette ins Zimmer gebracht hatte, weinte ich lange still vor mich hin. Ich war allein und es war mir auch egal, ob Sophie da war. Ob mit oder ohne Instruktionspostkarten aus dem All. Vielleicht hätten die Außerirdischen ja eine Ahnung gehabt, wie ich das alles verkraften sollte und wie ich aus der Nummer wieder herauskam.
Die Ärzte zogen also die Möglichkeit in Betracht, dass ich schizophren oder so etwas war und deshalb Mark erschlagen haben könnte. Würgemale hin oder her. Schizophrene machen so etwas manchmal. Wenn sie zum Beispiel von einer nicht existierenden Person einen Befehl dazu bekommen oder zum Mord angestachelt werden. Oder wenn sich bedrohliche Szenen in ihrem Kopf abspielen und sie annehmen, nur ihre eigene Haut zu retten. Ich glaubte nicht an Fabelwesen wie Vampire. Ich glaubte auch nicht an Märchen. Und an wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ich war nicht Schneewittchen, aber ich hatte das Gefühl, i n einer Fabelwelt, aus der Märchen entspringen, gefangen zu sein. Ich war nicht Rotkäppchen, aber ich dachte dennoch, dass die Wölfe mich hatten. Die Ärzte waren der Meinung, ich hätte eine ähnliche Erkrankung wie meine Mutter. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, nicht bekloppt zu
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