Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
treten und wurde aufs Bett zurückkatapultiert. Mit einem festen Griff in meinem Nacken hockte er rittlings über mir. Sein Atem ging stoßweise und seine Augen funkelten mich zornig an, wie ein gereiztes Tier. Mit einem Griff in meinen Haaransatz zwang er mich, ihm in die Augen zu sehen. Ich spürte seine Hand an meinem Oberschenkel.
»Vorsicht, Cherryblossom«, stieß er halb wütend, halb erheitert hervor. »Ich könnte dir deine Unschuld rauben und die Erinnerung daran gleich dazu. Weißt du, jedes erste Mal in einem Menschenleben, ob schön oder grauenvoll, ist von unschätzbarer Energie. Der erste Schritt, der erste Kuss, der erste Sturz, der erste Liebeskummer. Köstliche kleine Wunder«, wisperte er mir drohend entgegen.
Ich hatte Mühe, seine Worte zu begreifen. Sein Gesicht war dicht genug, um seinen Duft einzuatmen. Er roch nach Winter, wie die frostige Luft an einem sonnigen klaren Morgen , an dem die Natur mit Raureif überzogen ist . Seine Hand wanderte an meinem Oberschenkel herauf. Mein Herz schlug schneller und ein Kribbeln bahnte sich von meinem Bauch aus seine Wege. Sein hungriger Blick glitt über meinen Körper, wurde weicher und blieb an meinen Lippen hängen, bevor er zu meinen Augen zurückwanderte. Ein Keuchen entrann meiner Kehle. Dachte er daran, mich zu küssen? Würde ich ihn beißen oder zurückküssen? In diesem Moment ließ er mich so abrupt los, dass ich unsanft mit dem Kopf an die Wand stieß.
»Was bist du nur für ein Arschloch!«, zischte ich wütend zwischen meinen Zähnen hervor und blickte etwas entrückt vor mich hin. Verblüfft sah ich dabei zu, wie er sich entspannte und einen völlig gesammelten Eindruck machte. Er sog die Luft tief ein und zog die Augenbrauen hoch, während er mich abgeklärt ansah.
»So, Cherryblossom, wir haben viel zu lernen. Erste Lektion: Sprich nicht mit unsichtbaren Leuten, wenn andere Personen zugegen sind. Zweitens: Nimm brav deine Tabletten, die werden eh nicht sonderlich viel bei dir be wirken und gestehe endlich ein, dass du verrückt bist. Dann bekommst du mehr Freiraum und ich kann dich hier rausholen. Dies hier ist der Hochsicherheitstrakt.« Er machte ein bedeutungsvolles Gesicht, nahm den Schlüsselbund und wedelte damit herum. »Es wird irgendwann auffallen, wenn die zu lange fort sind.«
Als ich hörte, wie die Tür von außen wieder verriegelt wurde, verfiel ich ein irrsinniges Kichern . Die Erkenntnis, dass ich tatsächlich anders war, sickerte wie Gift durch mein Bewusstsein. Ich wollte nie irgendetwas Besonderes sein, aber wenn ich nun mal kein normaler Mensch war, war es halt so. Deshalb gehörte ich noch lange nicht an solch einen Ort. Und ich würde jetzt alles tun, was nötig ist, um hier rauszukommen. Ich würde Henry und vor allem meinen Vater zur Rede stellen.
Am nächsten Tag konnte ich Frau Theodin von meiner Einsicht überzeugen. Ich nahm brav meine bunten Pillen, die nicht viel Wirkung zeigten, außer, dass sie mich ein wenig zu Dornröschen werden ließen. Brav ging ich zu meiner Therapiesitzung und erläuterte einsichtig die verschiedenen Varianten von Halluzinationen. Zur Belohnung wurde ich als therapierbare Patientin eingestuft und durfte wieder in mein altes Zimmer.
Am Abend machte ich mich noch einmal auf den Weg in Richtung Küche, um mir eine Flasche Wasser zu holen, bevor die offizielle Sperrstunde eingeläutet wurde. Eilig schritt ich den Flur entlang, der so gut wie verlassen war. Nur ganz am Ende stand eine Tür offen und ein Patient unterhielt sich mit einem Pfleger. Auf Höhe der Wäschekammer spürte ich urplötzlich Hände auf meinem Mund und um meine Taille. Ich verlor den Boden unter den Füßen. Meine Augen weiteten sich vor Schrecken und ich wurde unsanft durch eine Tür gerissen, die sich sofort wieder schloss. Panisch wehrte ich mich aufs Heftigste und trat mit voller Kraft um mich. Im selben Moment hörte ich ein Aufstöhnen. Unverhofft wurde ich freigegeben. Dabei verlor ich das Gleichgewicht und stürzte polternd in einen Wäscheständer.
»Meine Güte, Cherryblossom, sei noch ein wenig lauter und wir haben die Kavallerie am Hals. Ich dachte, du wolltest von hier verschwinden?« Lennox rieb sich stöhnend die Schulter und musterte mich mit seinen dunklen Augen im Zwielicht der Wäschekammer. »Meinst du, du bekommst das hin, mich nicht ständig umbringen zu wollen?« Ein schiefes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, was mich unerwartet berührte. Ich riss meinen Blick von ihm los.
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