Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
wohl doch etwas verschätzt. Sie sollte fest schlafen und nicht durch irgendeine Unannehmlichkeit wie eine zu enge Hose frühzeitig geweckt werden. Denn er musste noch fort, den Transporter loswerden und sich auf die Jagd nach Nahrung machen. Er begann vorsichtig, die Schlafende von ihrer Jeans zu befreien. Sie rührte sich und brummte irgendetwas vor sich hin. Er hielt inne und konzentrierte sich, um sie tiefer in den Schlaf zu schicken.
Vorsichtig streifte er die Hose ab und bemerkte dabei die große Narbe an ihrem Bauch. Er strich zart darüber und war einen Augenblick lang betrübt, weil er nicht hatte verhindern können, was damals geschehen war.
Er schloss vorsichtshalber das Türschloss seiner Wohnung zweimal ab und machte sich im Trab auf den Weg zum Transporter. Mit ordentlicher Geschwindigkeit fuhr er ihn aus der Stadt. Er wollte vor Sonnenaufgang wieder zu Hause sein. Nicht, dass dieses kleine quirlige Ding wach wurde, irgendeinen Blödsinn anstellte und ihm seinen Job noch schwerer machte. Als er endlich sein Ziel, einen abgelegenen Schrottplatz, erreicht hatte, war es fast drei Uhr morgens. Er lief ein paar Straßen zu Fuß weiter, wo ein Taxi schon seit einer Stunde auf ihn wartete.
Der Fahrer namens Arthur war ein Zeitwandler und einige Jahre schon ein Freund von ihm. Sofern man bei Zeitwandlern von Freundschaften sprechen konnte. Viele Zeitwandler verloren über die Jahre und Jahrhunderte ihre Menschlichkeit immer mehr. Also wurden Freundschaften oder auch Liebesbeziehungen schwierig. Wobei es bei Liebesbeziehungen noch ganz andere Problematiken gab. Arthur war auch ein Nachtalb, was die Kommunikation zwischen ihnen vereinfachte.
Er fuhr Lennox zurück in die Stadt, wo er sich sofort auf die Jagd begab. Aufgeregt sog er die Nachtluft ein, witterte. Seine Muskeln spannten sich unter der Haut. Er hatte Glück, fast augenblicklich nahm er das Aroma einer jungen Frau wahr, gar nicht weit weg. Wie ein Raubtier auf der Jagd folgte er konzentriert der Fährte eine Feuerleiter hinauf und kletterte gekonnt an der Häuserwand entlang, bis zu einem Fenster, das sich durch jahrelange Übung sofort lautlos öffnen ließ. Sie war alleine und schlief noch nicht lange. Lennox ließ sich still ins Zimmer gleiten und stieß die Brünette ungeduldig tiefer in den Schlaf. Normalerweise ging er behutsamer vor, aber er war hungrig und hatte keine Zeit. Leise seufzte sie auf, ihr Herzschlag wurde endlich ruhiger. Lennox trat an das Fußende des Bettes und lauschte auf die Geräusche in der Wohnung. Er würde sich völlig ungestört nehmen können, was er brauchte. Erwartungsfroh war er, als ihre Augäpfel sich unter den Liedern rascher bewegten. Er tastete nach ihrem Traum, und der war schön … friedlich und voller Energie. Er konnte diese Energie in Wellen durch ihren Körper pulsieren sehen, wie wogendes regenbogenfarbenes Licht. Meistens brauchte er nur in der Nähe eines Opfers zu sein, um ihre Träume zu stehlen, aber nachdem er so lange Zeit durch das Sanatorium gewandert war, um bei Hanna zu sein, war er nach einer Menge schlechter Nahrung hungriger als ein Wolf.
Die Träume von psychisch Kranken waren nicht gerade nahrhaft. Ein bedrohliches Grollen erklang aus seiner Kehle und seine Hände schlossen sich fester um die Bettkante. Es würde nicht mehr lange dauern und sie wäre im richtigen Schlafzustand. Hungrig fletschte er die Zähne und sprang. Mit einem Knurren fiel er sie an, seine dunklen Augen loderten gefährlich und er ließ sich über sie gleiten. Seine brennenden Fingerspitzen krallten sich in ihre Schultern und drückten sie tiefer in die Kissen. Sie bog mit einem Stöhnen den Rücken durch und mit einer unglaublichen Gewalt an Farben und Eindrücken explodierten Bilder vor Lennox’ Augen, überfluteten ihn köstlich und stark, durchdrangen ihn, bis er sich gesättigt zurückzog und die blasse Frau in ihrem Bett zurückließ.
Als ich die Augen öffnete, fiel mir zuerst der weiße Himmel über meinem Kopf auf. Es war Stoff, der mich auch von allen vier Seiten umgab. Schlaftrunken stellte ich fest, dass ich in einem riesigen Himmelbett lag. Die weiße Satinbettwäsche streichelte kühl meine Haut und ich ließ meine Hände über die Decke streichen . Ich schloss die Augen. Es roch nach frühlingsfrischem Waschmittel und ich stieß einen wohligen Seufzer aus. Hier würde ich nie wieder rauskrabbeln, komme, was wolle. Hier war mein Königreich und ich würde es bis aufs Blut verteidigen. Wohlig
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