Cherubim
Stadt verteilt.«
Eberlein nickte. »Es gleicht ein wenig einem Lauffeuer. Die Leute sind noch immer leicht zu beeinflussen nach den Ereignissen vom August.«
Silberschläger lehnte sich zurück. »Diese verrückte Jüdin von der Katharinenkirche hat uns einen großen Dienst erwiesen«, meinte er.
»Hm. Aber mir ist nicht ganz klar, warum Ihr nicht den Dingen ihren Lauf lasst. Ich bin sicher, das Pulverfass würde auch von allein explodieren. Warum habt Ihr mir Befehl gegeben, Weißgerber zu bestechen? Immerhin haben wir dadurch noch einen Mitwisser.«
Silberschläger seufzte. »Mir wird die Zeit ein bisschen knapp«, erklärte er.
Eberlein runzelte fragend die Stirn.
»Der Geldverleiher will sein Geld zurück. Und inzwischen droht er damit, es öffentlich zu machen, wie viel ich ihm schulde.«
Eberlein schürzte die Lippen. »Nicht gut. Aber wenn Weißgerber erfolgreich ist, dann hat der Kerl bald keine Zeit mehr, sich um Euer Geld Gedanken zu machen.«
»Hoffen wir es!«, meinte Silberschläger. »Was habt Ihr ihm aufgetragen? Weißgerber, meine ich.«
»Nun, ich dachte mir, es wäre ein hübscher Anfang, wenn eine aufgebrachte Menge die Jüdin im Turm ein bisschen ...« Eberlein bleckte die Zähne, »... bestraft!«
Ein wohliger Schauer rann Silberschläger über den Rücken und erfasste seine Lenden. »Bestrafung!« Er kicherte unterdrückt. »Das ist gut!«
Eberlein senkte den Blick, und Silberschläger hätte zu gern gewusst, was hinter seiner Stirn vorging.
»Damit sie auch erfolgreich sind, habe ich den Eisenmeister im Turm überzeugt, dass er uns helfen muss«, erklärte der Büttel weiter. »Er wird den Männern öffnen, wenn er sieht, dass Weißgerber sie anführt.«
»Wie habt Ihr das geschafft?«
Wieder grinste Eberlein. »Er braucht die Arbeit im Turm. Hat eine kranke Schwester und eine alte Mutter, die er mit seinem Lohn unterstützt. Ich habe durchblicken lassen, dass Ihr mit dem Gedanken spielt, ihn wegen seines lahmen Beines ablösen zu lassen.«
»Er muss mich verflucht haben.«
»Nur ein bisschen.«
Silberschläger verspürte ein leichtes Bedauern bei diesem Gedanken. Der Eisenmeister im Luginsland war trotz seines Gebrechens ein guter Mann. Es schmerzte Silberschläger, von jemandem wie ihm schief angesehen zu werden.
»Ich habe auch durchblicken lassen, dass Ihr Euch die Sache anders überlegen würdet, wenn er Weißgerber aus Versehen die Tür öffnet«, fuhr Eberlein fort.
Silberschläger unterdrückte ein Lächeln. Er wollte etwas erwidern, als es an der Tür klopfte.
Missmutig ob der Störung, rief er: »Ja?«
Die Tür öffnete sich, und in ihr stand ein Weib, an das er sich nur allzu gut erinnerte. »Frau Jacob!« Er legte ein freundliches Lächelnauf seine Züge und erhob sich. »Habt Ihr wieder einen Mord an einem Bettler anzuzeigen?«
Die Jacob kam einen Schritt näher. »Nein. Aber einen Aufruhr.«
Silberschläger warf Eberlein einen stirnrunzelnden Blick zu. Der stand auf. »Ich bin hier fertig«, sagte er. »Habt Ihr noch weitere Befehle für mich?«
»Einstweilen nicht.« Silberschläger umrundete das Schreibpult. »Haltet mich auf dem Laufenden, was diese Angelegenheit angeht.«
Eberlein nickte. »Natürlich!« Dann ging er und schloss die Tür hinter sich.
Silberschläger trat vor Katharina hin. Er wollte den Arm ausstrecken, um ihre Schultern damit zu umfangen, doch sie entzog sich ihm auf überaus geschickte Weise. »Ihr müsst Eure Büttel ...«
»Langsam!«, unterbrach er sie. »Setzt Euch erst einmal. Und dann berichtet in aller Ruhe, was Ihr gesehen habt!«
Nachdem Katharina gegangen war, ließ Maria sich zu Boden sinken und legte den Kopf auf den Knien ab.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu jenen Tagen, an denen sie noch bei ihren Eltern gelebt hatte.
»Ich möchte auch zu Adonai beten, wie du es tust, Vater!«, hörte sie sich sagen, und sie spürte die warme Hand ihres Vaters auf ihren Scheitel niedersinken, sah, wie er sie anlächelte. Draußen wurde es gerade dunkel. Es war die Zeit, in der ihr Vater üblicherweise sein Nachtgebet sprach.
»Das ist schön, Prinzessin!«, sagte der Vater. »Aber Kinder in deinem Alter müssen noch nicht beten. Das hat Gott der Herr so bestimmt. Erst mit der Bar Mizwa wird dir die Pflicht zum täglichen Gebet auferlegt.«
Maria – Mirjam – stemmte die Arme in die Hüften. »Und was, wenn ich es trotzdem will? Verbietet Adonai es mir?«
Vater lachte. »Aber wieso denn? Adonai freut sich, wenn du dich ihm
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