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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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zustimmend. Viele nickten, ein paar Menschen steckten tuschelnd die Köpfe zusammen.
    »Wir sehen ja jetzt, wohin das führt, wenn wir ihnen nicht Einhalt gebieten! Die Hexe, die den Altar in der Katharinenkirche geschändet hat, sitzt in einer Zelle im Narrenhäuslein. Aber wer sagt uns, dass nicht noch mehr dieser Teufel in Menschengestalt heimlich durch unsere Straßen und Gassen schleichen, unsere Kirchen mit ihren widerlichen Tierkadavern schänden, unsere Kreuze und geweihten Gefäße zerschmettern und unsere Kinder im Schlaf meucheln? Wer garantiert uns, dass die Leiche im Sebaldgrab nicht die erste einer ganzen Reihe von Entweihungen ist?«
    Das Gemurmel war lauter geworden, je mehr Gräueltaten der Mann aufzählte, und als er die gemeuchelten Kinder erwähnte, schrie jemand in der Menge: »Lasst es dazu nicht kommen! Jagt sie aus der Stadt!«
    »Schlagt sie allesamt tot!«, hielt ein anderer dagegen. Und er reckte eine Faust in die Höhe, bei der die Knöchel weiß hervortraten.
    »Das ist nicht gut!«, meinte Arnulf. Er sprach leise, und dennoch besaßen seine Worte eine Eindringlichkeit, die Richard aufmerken ließ. Er folgte dem Fingerzeig des Freundes, der auf eine Gruppe von Männern deutete, die sich etwas abseits der Meute hielten. Ein jeder von ihnen hatte die Hand auf dem Schwertgriff, und als der Kerl vorne schrie: »Jawohl! Machen wir dem ein Ende!«, da zogen sie ihre Klingen.
    Der Redner wies in Richtung Kaiserburg. »Die Hexe sitzt im Luginsland!« Jetzt brüllte er. Sein Kopf hatte die Färbung einer reifen Brombeere angenommen.
    Und die Menschen nahmen seinen Ruf auf.
    »Zum Luginsland!«
    Die Schwerter wurden in die Höhe gereckt, einige Männer stießen jubelartige Kampfschreie aus. Und dann setzte sich die Menge in Bewegung.
    Richard wandte sich an Katharina. »Du musst im Rathaus Bescheid geben. Sag Silberschläger, er soll seine Büttel schicken, sonst gibt es dort oben ein Unglück!«
    »Völlig sinnlos!«, rief Arnulf aus und zog sein Schwert.
    »Geh trotzdem! Vielleicht kannst du einen anderen Bürgermeister finden«, drängte Richard Katharina.
    Katharina zögerte. »Was hast du vor?«
    Richards Hand schloss sich um den Schwertgriff. »Wir ...« Er deutete auf Arnulf, »... werden sehen, ob wir die Meute aufhalten können.«
    Er spürte Katharinas Skepsis, ob ihnen das gelingen möge, und er sah auch die Sorge in ihren Augen. Ein warmes Gefühl keimte in seiner Brust. Sanft lächelte er. »Keine Angst. Uns passiert schon nichts. Aber du musst dich beeilen! Sei so hartnäckig, wie du nur kannst.« Dann sah er Arnulf an. »Bereit?«
    Der Nachtrabe nickte nur.
    Die Vormittagssonne schien durch das Fenster von Silberschlägers Kontor und beleuchtete die Wandmalereien, so dass die nackte Haut der Athene weich schimmerte. Silberschläger hatte sich in seinem Lehnstuhl zurückgelehnt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und betrachtete wohlgefällig die üppigen Rundungen der griechischen Göttin, die von dem Tierfell nur unzulänglich verhüllt wurden. In Gedanken befand er sich jedoch zu Hause, in der kleinen Kammer unter dem Dach, die Greta in der letzten Woche bezogen hatte. Er dachte an die vergangene Nacht. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht bei der Erinnerung an den schlanken, festen Körper des jungen Dienstmädchens unter dem seinen. Das leise Schluchzen Gretashallte noch jetzt in seinen Ohren nach und entfachte diese unbändige Lust schon wieder aufs Neue. Wie gut, dass er sich doch entschieden hatte, sie nicht zu entlassen. Was für ein Vergnügen wäre ihm sonst entgangen!
    Er wurde aus seinen angenehmen Tagträumen gerissen, als es an seiner Tür klopfte. Seufzend schob er das Bild von Gretas kleinen Brüsten von sich. »Tretet ein!«, sagte er. Seine Stimme klang ein wenig heiser, und er räusperte sich rasch.
    Klaus Eberlein steckte den Kopf zur Tür herein. »Habt Ihr einen Moment Zeit für mich?«
    Silberschläger wies auf den Stuhl vor seinem Pult. »Natürlich!«
    Eberlein betrat das Kontor. Sachte schloss er die Tür hinter sich, dann setzte er sich und schlug in einer unmännlichen Bewegung die Beine übereinander. »Weißgerber hat Euren Geldbeutel angenommen. Zur Stunde steht er auf dem Platz vor St. Sebald und hält eine Rede.« Er grinste breit, und Silberschläger verspürte einen Anflug von Zufriedenheit.
    »Die Gerüchte und Einzelheiten, die Ihr gestreut habt«, sagte er, »haben sich in den letzten zwei Tagen überaus zufriedenstellend über die gesamte

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