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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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offen.
    »Verdammt!«, fluchte Arnulf, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Auf dem Weg den Burgberg hinauf hatte er Richard überholt und lief nun vor ihm.
    Richards Lungen brannten, ebenso die alten Wunden an seinen Schultern, aber er war nicht gewillt, den Freund im Stich zu lassen. Fest hatte er den Schwertgriff umfasst, die Spitze seiner Klinge wies zu Boden.
    »Sie haben den Eisenmeister überwältigt!«, schrie Arnulf. Er hatte als Erster den kleinen Platz vor dem Luginsland erreicht und war stehengeblieben.
    Richard schloss zu ihm auf. »Nein«, widersprach er. »Er wurde bestochen!« Richard war sich ganz sicher. Der Eisenmeister stand neben dem Eingang zum Turm und ließ die Schultern hängen. Er war völlig unversehrt, seine Miene düster. Schuldbewusst stand er dort, den Blick auf die offene Tür gerichtet.
    »Sie sind fast oben!« Arnulf warf sich vorwärts und war im nächsten Augenblick im Inneren des Turms verschwunden.
    Richard folgte ihm.
    Drinnen bebte die Luft von schweren Schritten, die die hölzerne Treppe erzittern ließen.
    »Haltet ein!«, schrie Arnulf und stürmte weiter.
    Richards Verletzungen brannten jetzt wie Feuer, und es bereitete ihm Mühe, die steile Stiege zu erklimmen. Nicht einmal, als über ihm Kampflärm aufbrandete, vermochte er seine Schritte zu beschleunigen.
    Er hörte das Klirren von Waffen, die aufeinanderprallten, einenlautstarken Fluch, von dem er nicht hätte sagen können, wer ihn ausgestoßen hatte. Dann das Quietschen von eisernen Angeln.
    Wieder Kampflärm.
    Und schließlich ein langgezogener, schriller Schrei.
    Außer Atem erreichte er die obere Etage des Turmes, und ihm bot sich ein bizarres Bild.
    Wohl ein halbes Dutzend Männer hatte sich auf dem winzigen Gang zusammengedrängt, Arnulf mitten unter ihnen. Die Tür der Zelle war offen, und ein einzelner Mann hatte die Zelle betreten.
    Maria stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt da, die Rechte hing kraftlos neben ihrem Körper herab, und eine zerschlissene Stoffpuppe entglitt ihren Fingern und fiel zu Boden. Marias Augen waren weit aufgerissen, und Richards Verstand brauchte einen Moment, bis er begriff, dass der Ausdruck von Entsetzen in ihrem Gesicht nur noch Fassade war. Die Klinge ihres Angreifers ragte aus ihrem Leib wie ein überdimensionierter Dorn, der sie an die Wand genagelt hatte.
    Der Mann ließ seine Waffe los. Wich zurück.
    Und die Spitze seines Schwertes schrammte hinter Maria über das Gestein, als deren Beine unter ihr nachgaben und sie leblos zu Boden sank.
    »Schweine!«, brüllte Arnulf.
    Richard sah Blut aus einer Wunde an seinem Oberarm sickern, aber der Nachtrabe kümmerte sich nicht darum. Fassungslos starrte er auf Maria, die in diesem Moment auf den Holzbohlen aufschlug und sich nicht mehr rührte. Dann stieß er die Männer rings herum zur Seite, drängte sich durch die öffenstehende Zellentür.
    Langsam sank er neben Maria auf die Erde. »Ihr Schweine!« Diesmal flüsterte er.
    Die Männer, die den Angriff geführt hatten, zogen sich mit betretenen Mienen zurück.
    Und Richard konnte den Blick nicht von der Puppe lassen, deren Leib sich jetzt langsam mit Marias Blut vollsog.
    Nachdem sie eine schier endlos lange Zeit auf Silberschläger eingeredet hatte, erreichte Katharina es endlich, dass er ihr versprach, einen Trupp Büttel zum Luginsland zu schicken.
    »Rasch!«, forderte sie ihn auf. Während sie ihm geschildert hatte, was bei dem Turm geschehen würde, hatte sie sich geweigert, sich auf den Stuhl vor dem Schreibpult zu setzen. Jetzt stand sie voller Anspannung an der Tür und hatte die Klinke schon in der Hand. Fordernd sah sie Silberschläger an. »Ihr müsst Euch beeilen, sonst gibt es Tote!«
    Der Bürgermeister nickte, aber er tat es bedächtig.
    Katharina knirschte mit den Zähnen. Dann entschied sie, dass sie mehr nicht zu tun vermochte. Sie riss die Tür auf, rannte aus dem Kontor, die langen Rathausgänge entlang. Im nächsten Moment befand sie sich im Freien.
    Den Weg zwischen Rathaus und Burg überwand sie in kürzester Zeit, doch als sie auf den kleinen Platz vor dem Luginsland einbog, wusste sie, dass es zu spät war.
    Wie eine Gruppe geprügelter Hunde kamen die Aufrührer aus dem Turm geschlichen. Katharina sah hängende Köpfe, Hände, die über Augen rieben, als könnten ihre Besitzer nicht glauben, was soeben geschehen war.
    »Was ist passiert?« Ihre Stimme schrillte, während sie sich umsah. Wo war Richard?
    Wo Arnulf?
    Von den beiden keine

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