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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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herüber. »Die Priorin ist gerade auf der Latrine hinten im Hof«, kicherte sie hinter vorgehaltener Hand. »Verratet nicht, dass ich Euch das erzählt habe. Es geziemt sich natürlich nicht.«
    Katharina nickte nur, doch Aurelia schien so begeistert darüber, endlich einmal mit jemandem reden zu können, dass sie munter weiterplapperte: »Sogar diese ... nun persönlichen Dinge sind hier im Kloster genauestens geregelt, wusstet Ihr das? Die Nonnen haben zum Beispiel keinen Nachttopf. Das ist ihnen verboten, denn sie sollen nicht in Bequemlichkeit verfallen. Jetzt frage ich Euch: Was ist daran Bequemlichkeit, wenn man des Nachts nicht über die kalten Flure und durch den ganzen Garten laufen will?«
    »Ich denke, Frau Jacob hat jetzt genug von Euren pikanten Details, Schwester Aurelia«, ertönte da eine schneidende Stimme hinter Katharina.
    Aurelia zuckte so heftig zusammen, dass ihr Schleier ihr vor das Gesicht geriet. Sie musste ihn fortstreichen, bevor sie der Besitzerin der Stimme ins Gesicht schauen konnte.
    Katharina drehte sich um.
    Vor ihr stand eine hochgewachsene, schlanke Frau, an der das Habit auf eigenartige Weise viel mehr wie eine Uniform wirkte als bei den anderen Nonnen. Den schwarzen Schleier hatte sie über die Schultern nach hinten geworfen, und auch von ihren Haaren war kein einziges zu sehen. An einer goldenen Kette hing ein fingerlanges Kreuz um ihren Hals – das einzige Detail, das sie von den anderen unterschied.
    »Mutter Oberin«, sagte Aurelia leicht atemlos. »Das ist Frau Jacob, die Ihr habt zu Euch rufen lassen.«
    Die Priorin deutete ein leichtes Nicken an. »Danke, Schwester. Geht nun. Über Eure Verfehlungen werden wir nachher reden.«
    Demütig senkte Aurelia den Kopf und schlich davon, als hätte die Priorin sie geprügelt.
    Die hochgewachsene Frau richtete den Blick auf Katharinas Gesicht. Sie hatte wasserhelle Augen, die von einem dichten Kranz blonder Wimpern umgeben waren. Kurz und so gerade wie Schweineborsten standen sie von ihren Lidern ab. Auf der linken Wange der Priorin prangte ein fingernagelgroßes Muttermal. Es war der einzige Makel auf ihrer sonst vornehm blassen und zarten Haut.
    »Ich danke Euch, dass Ihr gekommen seid.« Die Frau deutete ein Lächeln an. »Mein Name ist Schwester Kunigunde. Ich bin die Oberin dieses Klosters.«
    Katharina neigte den Kopf zu einem höflichen Gruß. »Womit kann ich Euch helfen, Ehrwürdige Frau Mutter?«
    Die Priorin lächelte. »Oh! Ihr kennt Euch mit den Titularien eines Klosters aus?«
    Katharina erwiderte das Lächeln. »In Antwerpen hatte ich eine Zeitlang ein paar Nonnen unter meinen Patientinnen. Ich ...« Sie wollte weiterreden, ließ es jedoch bleiben, als ihr wieder einfiel, dass sie schon länger keine Heilerin mehr war.
    »Nun.« Kunigunde stieß die doppelflüglige Tür auf und bedeutete Katharina, einzutreten. Eine Nonne kam ihnen entgegen, die während der Abwesenheit der Priorin offenbar die Stellung gehalten und mit der Aurelia vorhin gesprochen hatte. Kunigunde entließ sie mit einem freundlichen Wink, und erst als die Nonne gegangen war,redete die Priorin weiter. »Ihr fragt Euch wahrscheinlich, warum ich Euch habe rufen lassen.« Sie ging zu einer kleinen Sitzgruppe. Hölzerne Stühle, die um einen niedrigen Tisch standen. Immer noch lächelnd, bat die Priorin Katharina, Platz zu nehmen.
    Nachdem Katharina saß, ließ sie selbst sich auf der Kante eines der unbequemen Möbel nieder.
    »Wenn ich ehrlich bin, ja«, beantwortete Katharina ihre Frage.
    Kunigundes Lächeln war offen und herzlich, und es enthüllte, dass ihre unteren Schneidezähne schief standen. »Nun. Das ist recht einfach erklärt. Seit die Kälte Nürnberg in den Griff genommen hat, schmerzen meine Fingergelenke.« Sie sah Katharina ins Gesicht, wohl in der Erwartung, dass diese auf der Stelle begriff.
    »Mir ist das Heilen verboten worden«, sagte Katharina vorsichtig.
    Was sollte das hier werden? Eine Prüfung? Sie versuchte, dem klaren Blick der Priorin standzuhalten. Es gelang ihr nur mit Mühe. Sie kam sich vor wie eine Sechsjährige vor einer gestrengen Lehrerin.
    »Wir befinden uns hier nicht auf Stadtgebiet«, antwortete Kunigunde. »Dies ist Boden der Kirche, hier gelten die Gesetze des Stadtrates nicht.«
    Katharina legte beide Hände auf den Knien ab. Ihre Schultern fühlten sich verkrampft an. »Ihr möchtet, dass ich Euch behandele?« Während sie das sagte, glitten ihre Blicke bereits über die Finger der Priorin. Die Gelenke

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