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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Rindshäute feilschen, die zwischen ihnen lagen und mit einem groben Hanfseil verschnürt waren. Ein Schuhmacher war damit beschäftigt, seine Ware auf der Auslage eines der kleinen hölzernen Stände auszubreiten, die sich um die Fassade des Lederhauses drängten wie Küken um ihre Henne. Und eine Magd in einem langen dunkelgrauen Rock wartete darauf, dass der Mann sie bediente. Offenbar wollte sie ein kaputtes Paar Schuhe reparieren lassen, das sie vor den Bauch gepresst hielt wie einen kostbaren Schatz.
    Vorbei an der Barfüßerkirche und dem Heilsbronner Hof, einem weitläufigen Areal, auf dem Zisterzienser ihre selbsterwirtschafteten Waren feilboten, betraten sie die vordere Katharinengasse. Das buckelige Pflaster war von einer schimmernden Eisschicht überzogen, die das Gehen beschwerlich machte. Eine doppelt mannshohe, weiß getünchte Mauer begrenzte die Gasse zu ihrer Linken, und es gab neben einigen kleineren Pforten auch zwei große hölzerne Tore, durch die ganze Ochsenfuhrwerke gepasst hätten. Bruder Guillelmus jedoch führte Katharina unter einem kleinen Erker hindurch, der an einer der Hausfassaden klebte wie ein Wespennest. Er blieb vor einer Tür stehen, die in Augenhöhe ein schmiedeeisernes Gitter besaß.
    Mit der Faust hieb Guillelmus gegen die Tür. Es dauerte einen Augenblick, dann erschien in dem Fensterchen hinter dem Gitter ein Gesicht. »Ihr wünscht?« Die Stimme klang gelangweilt und ein wenig belegt, als sei ihre Besitzerin erkältet.
    »Schwester Aurelia«, sagte Guillelmus. »Ich bin es. Ich bringe Frau Jacob, nach der die Mutter Oberin hat schicken lassen.«
    Schwester Aurelia schniefte, dann nieste sie. »Wartet«, sagte sie. Es dauerte einen Augenblick, bis die Pforte geöffnet wurde. Sie schwang nach innen auf, und Guillelmus ließ Katharina den Vortritt.
    Sie kamen in ein winziges Gelass, das rechterhand durch ein massives hölzernes Gitter begrenzt wurde. Die Stäbe und Querverbindungen dieses Gitters bestanden aus kunstvoll geschnitzten Dornenranken, die sich ineinanderwanden, so dass zwischen ihnen kaum handflächengroße Öffnungen blieben. Hinter einer dieser Öffnungen konnte Katharina das blasse Gesicht von Schwester Aurelia sehen.
    »Die Nonnen leben in Klausur«, wiederholte Guillelmus, was er Katharina bereits einmal erklärt hatte. »Dies ist der Tor- und gleichzeitig der Besuchsraum. Sie nutzen ihn, wenn Verwandte kommen wollen, um mit ihnen zu sprechen.«
    Katharina blickte auf einen hochbeinigen Schemel, der als einziges Möbelstück in dem kleinen Raum stand. »Sie müssen sich hier durch das Gitter miteinander unterhalten?«
    Bruder Guillelmus nickte, und sein Blick war ausdruckslos, so dass Katharina nicht erkennen konnte, was er von dieser Regelung hielt. »Und die Nonne, die Torwache hat, fungiert dabei als Überhörerin. Sie achtet auf jedes Wort, das gesagt wird.« Er deutete auf eine wuchtige Konstruktion, die einem Mühlrad ähnelte, nur dass sie auf der Seite lag. Einzelne Fächer waren darin angebracht. Guillelmus wies auf eines davon. »Wenn sie Gegenstände ins Kloster hinein- oder herausbringen wollen, ist dafür dieses Rad da. Dort legt man die Sachen hinein, dann dreht die Nonne innen an einem Mechanismus, das Rad dreht sich ebenfalls, und die Sachen können auf der anderen Seite des Gitters herausgenommen werden. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Nonnen nicht aus Versehen die Hand eines Menschen außerhalb des Klosters berühren.«
    »Das ist ja wie ein Verlies!«, entfuhr es Katharina.
    Da lächelte Guillelmus düster. »Glaubt mir: Ein Verlies hat weitaus Schlimmeres zu bieten als dieses Gitter oder das Rad!« Er strich sich wieder über die Haare, und Katharina dachte an die Kerbe in seinem Ohr. Zu gern hätte sie in Erfahrung gebracht, welche Rolle er in seinem früheren Leben gespielt hatte. Er war noch so jung, und es fiel schwer, ihn sich im Lochgefängnis vorzustellen.
    Katharina nickte nachdenklich. »Ich weiß«, entgegnete sie, und als Bruder Guillelmus sie halb ungläubig, halb spöttisch ansah, zuckte sie nur die Achseln.
    In der Zwischenzeit hatte Schwester Aurelia eine winzige Tür rechts in dem Gitter geöffnet. Mit einem leisen Quietschen schwang sie nach innen auf, und Aurelia stand vor Katharina. Ihr schneeweißes Habit mit dem ebenfalls weißen Skapulier hob sich hell gegen den schwarzen Schleier ab, der ihr Haar bedeckte und von ihrem Gesicht nur Teile der Wangen, der Stirn und des Kinns enthüllte. Ihre Nase leuchtete

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