Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
Aber das Traurige daran war, dass meine eigenhändig erworbenen Meriten – und ja, das Wortspiel war eindeutig beabsichtigt – vor diesem Hintergrund oft übersehen wurden.
Allerdings erklärte mir das auch, warum er mich bei unseren ersten Treffen so ablehnend behandelt hatte. Er hatte mit einer verzogenen Göre aus neureichem Haushalt gerechnet.
»Ich liebe meine Schwester«, sagte ich ihm daher, »aber ich bin definitiv nicht ihr Ebenbild.«
»Das habe ich inzwischen auch gemerkt.«
»Und was denkst du jetzt von mir?«
»Nun ja.« Er lächelte, und es lag Stolz in seinem Blick. »Ich habe dich im Einsatz gesehen. Ich habe den rächenden Engel endlich selbst erlebt –«
»Ich bevorzuge ›Schöne Rächerin‹«, lautete mein trockener Kommentar. Das war der Spitzname, den mir Nick Breckenridge verpasst hatte (auch bekannt als »der Erpresser«.)
Jonah verdrehte die Augen. »Dieser rächende Engel Schrägstrich Vampir«, fuhr er fort, »eilt zur Rettung der Menschen herbei und walzt alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt. Mittlerweile frage ich mich ernsthaft, ob du nicht doch ein guter Zuwachs für die Rote Garde wärst.«
»Im Gegensatz zu dem wandelnden Desaster, das ich noch vor ein paar Monaten zu sein schien?«
Er besaß immerhin den Anstand, hochrot anzulaufen.
»Ich weiß, dass du von mir nicht beeindruckt warst. Du hast es ja nicht gerade verheimlicht. Ich würde mich allerdings nicht als rächenden Engel bezeichnen. Ich bin Hüterin meines Hauses, und ich tue alles in meiner Macht Stehende, um es zu beschützen.«
»Nur dein Haus?«
Ich erwiderte seinen herausfordernden Blick. »Vorerst nur mein Haus.«
Wir standen einen Augenblick da und ließen diesen Satz auf uns wirken. Ich verweigerte mich erneut der Möglichkeit, seine Partnerin zu werden, aber immerhin deutete ich an, dass es nicht unmöglich war. Die Unsterblichkeit war schließlich eine verdammt lange Zeit.
Schließlich nickte er. »Ich sollte dich wohl am besten zu deinem Wagen bringen.«
»Das ist eine gute Idee. Ich muss dringend nach Hause.« Nach Hause, zurück zu Ethan. Zurück zu einem Alltag, der mich nicht ständig dazu zwang, ausgeflippte Vampire zu bekämpfen – der mich aber jetzt dazu zwang zu lügen.
Jonah schnappte sich seinen Schlüssel, und wir verließen seine Wohnung.
Was mich draußen erwartete, war unglaublich.
Haus Grey war in einer umgebauten Lagerhalle in der Nähe von Wrigley Field untergebracht, und sie hatten das Übermaß an Platz geschickt zu nutzen gewusst. Jonahs Zimmertür war eine von vielen, und alle waren gleichmäßig angeordnet wie in einem Hotel. Die Galerie, auf der wir uns befanden, ging zu einer Seite auf einen vier Stockwerke hohen Lichthof hinaus. Das Geländer bestand aus Stahlpfeilern und dünnem Draht. Auf der anderen Seite des Lichthofs befand sich auf derselben Höhe eine weitere Reihe Türen. Ich nahm an, dass es sich um weitere Schlafzimmer handelte.
Ich trat an das Geländer und sah nach unten. In der Mitte des großen Raums unter uns stand ein gut zwölf Meter hoher Baum, der von viel Grün umgeben war. Pflanzen und weitere Bäume säumten einen Weg, der sich durch den Raum schlängelte. In regelmäßigen Abständen standen schwarze Pfosten, an denen die Vereinswappen der Sportmannschaften Chicagos angebracht waren.
Ich hatte so etwas noch nie gesehen – und schon gar nicht in der Welt der Vampire.
»Das ist eindrucksvoll«, sagte ich, als Jonah neben mir am Geländer auftauchte. Ich sah zur Decke hoch, die komplett aus Glas bestand. Aber das konnte in einem Vampirhaus unmöglich funktionieren. »Wie wachsen die Bäume? Müsst ihr denn tagsüber nicht das Dachfenster schließen?«
Jonah stellte mit seinen Händen einen Kreis dar. »Das Dach hat eine parabolische Überdachung, die sich dreht und tagsüber verschließt.« Er ließ seine Finger einschwenken. »Sie schließt sich wie ein Kameraverschluss, und in der Mitte bleibt eine Lücke für den Baum. Der Mechanismus ist lichtempfindlich, also folgt dieser Kreis der Sonne während der Erddrehung, damit der Baum immer im Licht steht.«
»Das ist wundervoll.«
»Die Technologie, die das möglich macht, ist ziemlich beeindruckend«, pflichtete er mir bei. »Scott nimmt sich die Zeit, neue Dinge auszuprobieren, was man nicht von allen Meistern behaupten kann.
»Sie sind in der Regel ein wenig schwerfällig.«
Er schnaubte zustimmend. »Der Rest des Grünzeugs wird durch die Drehung des Verschlusses ebenfalls mit
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