Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
wirkte völlig weggetreten. Keine erkennbaren Bissspuren, also musste irgendwas anderes diesen Zustand herbeigeführt haben. Ist es möglich, jemanden mit Verzauberung krank zu machen? Ich meine, dass man durch die Folgen einer Verzauberung körperlich geschwächt wird?«
Er runzelte die Stirn, während er sich diese Möglichkeit durch den Kopf gehen ließ. »Ich habe das noch nie erlebt. Aber das heißt nicht, dass es nicht möglich wäre. Hast du irgendetwas von ihr erfahren? Wie sie von der Party gehört hat?«
Ich berichtete ihm, was sie über die Temple Bar und den Mann erzählt hatte, den sie vor der Tür getroffen hatte. »Sie hat mir außerdem das hier gegeben«, sagte ich und holte den Umschlag aus meiner Tasche. Ich öffnete ihn und leerte den Inhalt in meine Hand.
Zwei weiße Tabletten fielen heraus.
»Tja«, sagte er, »das würde erklären, warum sie so weggetreten war.«
Ich hielt eine Tablette ins Licht. Dasselbe geschwungene V wie auf dem Umschlag war in ihre Oberfläche gestanzt.
»Sie sagte, sie hat nichts genommen.«
»Ihr war aber auch peinlich, was passiert war.«
»Das stimmt«, pflichtete ich ihm bei. »Tate sagte, Mr Jackson sei wegen Besitz von illegalen Drogen verhaftet worden. Vielleicht setzen Vampire Menschen unter Drogen, um sie empfänglicher für Verzauberung zu machen?«
»Wenn du an die Stimmung des gestrigen Abends denkst, scheint dir das dann noch weit hergeholt?«
Bedauerlicherweise nicht. Natürlich hatten wir nicht den geringsten Beweis; Sarah mochte auch einfach verzaubert worden sein – nicht, dass das Manipulieren von Menschen viel besser wäre, als sie unter Drogen zu setzen.
Was immer auch dahintersteckte, es war die Mühe einiger Nachforschungen wert. Ich legte die Tabletten zurück in den Umschlag und steckte ihn wieder in meine Tasche. »Ich bringe sie ins Büro des Ombudsmanns«, sagte ich ihm. »Vielleicht finden sie ja was raus.«
Nachdem wir das geklärt hatten, überließ Jonah mir sein kleines Badezimmer, und ich konnte mich kurz frisch machen. Ich brachte die Wimperntusche in Ordnung, so gut es ging, und band mir meinen Pferdeschwanz neu.
Als ich das Badezimmer verließ, zog er gerade ein summendes Handy aus seiner Tasche. Er sah zu mir herüber. »Ich muss kurz telefonieren. Bin sofort wieder da. Mach es dir gemütlich! Wenn du noch Blut brauchst, bedien dich einfach!«
Ich nickte ihm zu. »Danke!«
Er ging nach draußen und schloss die Tür hinter sich. Ich blieb allein zurück in der lässigen Behaglichkeit seiner Suite.
Ich ging um die Ecke in den Wohnzimmerbereich und sah mir einige gerahmte Dokumente an der Wand an. Es handelte sich um vier verschiedene Doktortitel: drei von staatlichen Universitäten in Illinois (Geschichte, Anthropologie und Geografie) undeiner von der Northwestern (deutsche Literatur und kritische Theorie). Auf jeder Urkunde stand eine andere Variante seines Namens – John, Jonah, Jonathan, Jack – , und die Ausstellungsdaten verteilten sich über das gesamte zwanzigsteJahrhundert.
Zu promovieren lag also für einen Vampir durchaus im Bereich des Möglichen.
Die Tür öffnete sich. »Entschuldige«, sagte er hinter mir. »Das war Noah. Er weiß nun Bescheid, dass du die letzte Nacht in seiner Eigentumswohnung verbracht hast.«
»Gute Idee«, sagte ich. Voraussetzung war natürlich, dass mich Ethan nicht über die Inneneinrichtung von Noahs Zuhause ausfragte – oder irgendwelche anderen Details wissen wollte, die über das hinausgingen, was ich von Noah wusste
Ich deutete auf die Promotionsurkunden. »Du bist ja ein fleißiger Student.«
»Meinst du ›Student‹ als Euphemismus für ›Schreibtischhengst‹?«
»Nein, sondern als Euphemismus für ›Mann mit vier Doktortiteln‹. Wie hast du das bloß geschafft?«
»Und gleichzeitig verschwiegen, dass ich ein Vampir bin, meinst du?«
Ich nickte, und er kam grinsend auf mich zu. »Ich war sehr vorsichtig.«
»Eine Menge Abendunterricht?«
»Ausschließlich. Und das alles habe ich erreicht, bevor es Online-Kurse gab.« Er lächelte in sich hinein, als er die Urkunden betrachtete. »Früher war eine Promotion noch etwas für Exzentriker. Es war ziemlich einfach, das schrullige Genie zu spielen – das nur an Abendkursen teilnimmt, den Tag über schläft und so weiter.«
»Hast du etwa auch als HiWi unterrichtet?« Wenn er als wissenschaftliche Hilfskraft Kurse hatte geben müssen, stellte ich mir das Ganze noch weit schwieriger vor.
»Nein, zum Glück nicht.
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