Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
Ich habe das eine oder andere Stipendium bekommen, und ich war gut in der Forschung, also haben sich mich aus den Vortragssälen rausgehalten. Andernfalls wäre es eine noch größere Herausforderung geworden.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Warst du auch Doktorand?«
»Bevor ich verwandelt wurde, ja.«
Er musste das Bedauern in meiner Stimme gehört haben. »Da gibt es wohl eine Vorgeschichte?«
»Ich war Doktorandin an der University of Chicago, als ich zur Vampirin gewandelt wurde. Englischsprachige Literatur. Drei Kapitel meiner Dissertation hatte ich fertig.« Bevor ich es verhindern konnte, erzählte ich ihm alles. »Ich bin eines Nachts über das Universitätsgelände gelaufen, als ich angegriffen wurde.« Ich sah ihn an. »Einer der Abtrünnigen, die Celina angeheuert hatte.«
Er rechnete schnell zwei und zwei zusammen. »Du warst eins der Opfer aus den Parks. Die junge Frau, die auf dem Universitätsgelände gebissen wurde?«
Ich nickte. »Ethan und Malik waren zufällig da. Sie verscheuchten den Angreifer, Ethan brachte mich nach Haus und leitete die Wandlung ein.«
»Gott, hast du ein Glück gehabt!«
»Kann man wohl sagen«, stimmte ich ihm zu.
»Also hat Ethan dir das Leben gerettet.«
»Hat er. Und er machte mich zur Vampirin Cadogans und Hüterin des Hauses.« Ich runzelte die Stirn. »Er hat mich auch aus der Uni exmatrikuliert. Er war sicher, dass ich als Vampirin nicht hätte weiterstudieren können.« Das war ohne mein Wissen geschehen, kurz bevor die Nordamerikanische Vampir-Registratur mich öffentlich in einer Zeitung als Initiantin Cadogans vorstellte. Er hatte also höchstwahrscheinlich richtiggelegen.
»Da hatte er sicher nicht ganz unrecht«, sagte Jonah. »Die Universität ist nicht gerade einfach für einen Vampir, der seine Existenz geheim halten muss. Es war vermutlich leichter für mich, der als alter Vampir die Regeln kannte und wusste, wie das Ganze läuft. Aber eine Initiantin, die noch die Grundlagen lernen muss?« Er zuckte die Achseln. »Das wäre verdammt schwer geworden.«
»Sagt der Mann mit den vier Doktortiteln.«
»Na ja. Aber du scheinst dich gut zurechtgefunden zu haben als Vampirin, auch wenn die Wandlung nicht ganz freiwillig war.«
»Es fiel mir erst nicht leicht«, gab ich zu. »Ich hatte durchaus den einen oder anderen Moment, an dem ich genölt und genörgelt habe. Aber ich habe irgendwann den Punkt erreicht, an dem ich mich entscheiden musste, ob ich mich akzeptiere, wie ich bin, und damit lebe – oder ob ich dem Haus den Rücken kehre, um krampfhaft so zu tun, als ob ich wieder ein Mensch wäre.« Ich zuckte mit den Achseln. »Ich habe mich für das Haus entschieden.«
Jonah befeuchtete seine Lippen und sah mich dann von der Seite an. »Ehre, wem Ehre gebührt. Du hast dich letzte Nacht ziemlich gut geschlagen.«
»Das wäre sehr schmeichelhaft, wenn es nicht so überrascht klingen würde.«
»Ich hatte keine großen Erwartungen.«
»Ja, das ist mir schon aufgefallen.« Ich dachte an unser erstes Treffen und den verächtlichen Tonfall in seiner Stimme. »Aber wieso eigentlich? Was hast du gegen eine Hüterin?«
Er schnitt eine Grimasse. »Das richtete sich nicht so sehr gegen die Hüterin –«
»Sondern vielmehr gegen die Merit?«, beendete ich ahnungsvoll seinen Satz.
»Ich kenne deine Schwester«, gestand er. »Charlotte. Wir haben ein paar gemeinsame Freunde.«
Charlotte war meine ältere Schwester, die inzwischen verheiratet war, zwei Kinder besaß und deren Hauptaufgabe darin bestand, an schicken abendlichen Wohltätigkeitsveranstaltungen teilzunehmen und Spenden einzusammeln. Ich liebte meine Schwester, aber ich gehörte nicht zu den noblen Kreisen, in denen sie verkehrte – dagegen hatte ich mich schon vor langer Zeit entschieden. Es beeindruckte mich also nicht sonderlich, dass er sie kannte.
»Okay«, sagte ich.
Er seufzte und sah mich dann schuldbewusst an. »Ich bin einfach davon ausgegangen, dass du ihr Ebenbild bist – da du ja auch eine Merit bist.«
Ich brauchte einen Augenblick, um das zu verarbeiten. »Was?«
»Na ja, ich dachte mir – weil ihr doch Schwestern seid und beide Merits … « Er verstummte verlegen, aber er musste auch nichts mehr sagen. Sippenhaft. Jonah war nicht der erste Vampir, der mir gestand, dass er mich auf Basis meiner Familie beurteilt hatte – und das hieß im Klartext: ein Haufen Geld und ein verdammt schlechter Ruf. Ich will ja gar nicht behaupten, dass Geld nicht gewisse Vorteile hat.
Weitere Kostenlose Bücher