Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken. »Es ist kurz vor Tagesanbruch.«
»Das stimmt.«
Einen Augenblick lang saßen wir stumm nebeneinander wie ein Pärchen, das nach dem ersten Date den peinlichen Moment erlebt, wenn man nicht weiß, was der andere nun von einem erwartet.
Ethan fasste sich als Erster, öffnete seine Tür und stieg aus. Ich tat es ihm nach, wenn auch auf wackligen Knien, die zum Glück nicht unter mir nachgaben. Ich spürte, wie die Sonne an meinen Kräften zehrte, fühlte, wie meine Nerven erschöpft reagierten und mein Körper danach schrie, einen dunklen, weichen Ort zu finden, an dem er den Tag überstehen konnte.
»Schaffst du es bis nach oben?«, fragte er.
»Ja, kriege ich hin.« Ich konzentrierte mich auf jeden einzelnen Schritt und blinzelte wiederholt, um bei Bewusstsein zu bleiben.
»Die Sonne hat dich ganz schön in ihrem Griff«, sagte Ethan, während er den Sicherheitscode an der Untergeschosstür eingab. Als er sie mir aufhielt, stolperte ich wie ein Zombie hindurch, war aber noch klar genug, um zu bemerken, dass es ihn nicht auf die gleiche Weise zu belasten schien.
»Macht dir das denn weniger aus?«, fragte ich ihn, als wir zur Treppe gingen.
»Ich bin älter«, antwortete er. »Dein Körper gewöhnt sich noch an die genetische Verwandlung, an den Unterschied zwischen Tages- und Nachtaktivität. Wenn du älter wirst, merkst du, wie die Sogwirkung nachlässt. Es fühlt sich dann mehr wie ein sanftes Ziehen an, nicht gleich nach einem Keulenschlag.«
Ich konnte nur noch zustimmend knurren. Wie durch ein Wunder schaffte ich es bis in den ersten Stock, ohne umzukippen.
»Wir unterhalten uns morgen«, sagte Ethan und ging die Treppe hinauf. Aber ich rief seinen Namen, und er sah zu mir zurück.
»Was hat dir Tate ins Ohr geflüstert?«
»Er sagte: ›Bringen Sie das verdammt noch mal in Ordnung, oder Sie werden die Konsequenzen ausbaden!‹ Wir reden morgen darüber.«
Das musste er mir nicht zweimal sagen.
KAPITEL FÜNFZEHN
ALLES, WAS GLÄNZT
Wie Ethan ausgeführt hatte, war ein offenkundiger Nebeneffekt der rein nachtaktiven Lebensweise die Tatsache, dass die Sonne mehr Macht auf mich ausübte, als mir lieb sein konnte. Allerdings brauchte ich kein Koffein mehr, um wach zu werden. Die ersten Minuten war ich zwar noch ein wenig angeschlagen, aber das Gefühl verflüchtigte sich schnell und ließ eine hellwache Vampirin zurück (die in der Regel einen Riesenkohldampf hatte).
Der Abend begann für mich mit einer Schüssel knusprigen Zimtmüslis und so viel Blut, wie ich vertragen konnte. Letzte Nacht hatte ich einige Schläge austeilen und einstecken müssen, und das Stressniveau war recht hoch gewesen. Kämpfe und Stress steigerten meinen Hunger so rapide wie sonst nichts auf der Welt.
Na ja, abgesehen natürlich von Ethan. Ich konnte jedenfalls aus eigener Anschauung bestätigen, dass das Zeug aus den Beuteln rein geschmacklich nicht mit dem Original konkurrieren konnte, aber es ernährte mich immerhin ebenso gut. Nahrhaftigkeit war sicherlich das Wichtigste, doch es hatte mir auch geholfen, emotional getröstet zu werden.
Ich sprang kurz unter die Dusche und zog meine schwarze Cadogan-Uniform an. Was mich heute erwartete, wusste ich noch nicht, aber nach unseren kleinen Abenteuern der letzten Nacht schien es doch ziemlich sicher, dass ich irgendwann auch auf Darius treffen würde. Also war es sinnvoll, mich ein wenig gepflegter zu präsentieren als bei unserer letzten Begegnung.
Ich bürstete meine Haare, bis sie glänzten, legte mein Cadogan-Medaillon an und stieg in meine Mary Janes. Das Desaster bei uns Vampiren hatte mich so sehr in Anspruch genommen, dass ich Mallorys Hexenmeister-Katastrophe glatt vergessen hatte. Also nahm ich mein Handy zur Hand, bevor ich nach unten ging. Ich hatte eine SMS von meinem Vater, die mich vermutlich erneut darauf hinweisen sollte, dass er Haus Cadogan in Sachen Vermögensbildung hilfreich zur Seite stehen könnte. Zu Joshua Merits besonderen Qualitäten gehörte definitiv Hartnäckigkeit.
Ich schickte Mallory eine kurze SMS , um nachzufragen, wie es ihr ging, und bekam gleich darauf eine Antwort: » MIR GEHT ’S BESSER . HEUTIGES THEMA : HEILKÜNSTE . LUSTIG !«
Ich war mir nicht sicher, ob ihr » LUSTIG !« nicht puren Sarkasmus darstellte, aber »Heilkünste« hörte sich jedenfalls schon besser an als schwarze Magie.
Mein Handy summte erneut, als ich gerade die Tür hinter mir zuzog. Diesmal stammte die Message von
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