Chicagoland Vampires: Ein Biss zu viel (German Edition)
schlug, richtete ich mich wieder auf und wischte mir die Tränen mit dem Ärmel meines Shirts weg. Ich nahm das Telefon vom Nachttisch und wählte die Nummer der einzigen Person, die mich beruhigen konnte.
»So ein Mist!«, sagte Mallory, während im Hintergrund der tiefe Bass einer männlichen Stimme zu hören war. »Ich habe eine Lernpause – Catcher ist nackt, und wir haben Barry White aufgelegt. Weißt du, wie selten ich eine Lernpause habe?«
Mallory war erst vor Kurzem als Hexenmeister identifiziert worden und befand sich jetzt in der Ausbildung. Ihr Lehrer war ein ziemlich süßer Kerl namens Simon, Typ netter Nachbarsjunge, der sie schon seit Wochen auf die »Abschlussprüfungen« vorbereitete. In den fünf kurzen Minuten, in denen ich ihn erlebt hatte, hatte er einen vernünftigen Eindruck gemacht, aber Catcher war kein großer Freund von ihm. Das hatte vermutlich etwas damit zu tun, dass Simon Mitglied des Verbandes Vereinigter Hexenmeister und Hexer war (beschönigend auch als »der Orden« bezeichnet), einer Organisation, die Catcher hinausgeworfen hatte.
Mallory klang gereizt, und ich wusste, dass diese Woche der Stress besonders groß gewesen war, aber ich brauchte sie und redete einfach weiter. »Ich hatte schon wieder einen Traum.«
Es folgte ein Augenblick des Schweigens, bevor sie brüllte: »Fünf Minuten, Catcher.«
Ich hörte ein Knurren, und dann wurde die Musik ausgedreht.
»Wie viele sind es jetzt?«, fragte sie.
»Sechs. Allein zwei in dieser Woche.«
»Woran kannst du dich erinnern?«
Mallory fragte mich jedes Mal aus nach solch einem Traum – dann trafen ihre morbide Neugier und ihr Hang zum Okkulten aufeinander. Ich tat ihr den Gefallen und nannte ihr die Details.
»Hauptsächlich an das Ende, wie immer. Ethan war wie ein Krieger aus der Vergangenheit gekleidet. Ein Unwetter kam auf uns zu, und er versuchte mich zu warnen, aber ich glaube, er hat Schwedisch gesprochen.«
»Schwedisch? Warum in aller Welt sollte er Schwedisch sprechen? Und woher willst du wissen, wie Schwedisch klingt?«
»Er stammte aus Schweden. Ursprünglich, meine ich. Und ich habe keine Ahnung. Aus dem Internet wahrscheinlich. Wie auch immer, er versuchte mich in das Unwetter zu führen. Ich habe versucht, mich vor ihm in Sicherheit zu bringen.«
»Hört sich nach dem einzig sinnvollen Verhalten an. Was ist dann passiert?«
»Das Unwetter ist über uns hereingebrochen. Ich verlor ihn aus den Augen und wachte auf, als er nach mir rief.«
»Nun, die Symbolik ist ziemlich klar«, sagte sie. »Du bist bei Ethan, und dann werdet ihr durch irgendeine Katastrophe getrennt. Eine Geschichte wie aus dem wahren Leben.«
Ich grunzte meine Zustimmung und setzte mich auf meine Beine. »So ist es wohl.«
»Natürlich ist es so. Andererseits sind Träume nicht einfach nur Träume. Da gibt es immer noch etwas. Dein Geist begibt sich auf Wanderung. Deine Seele lässt sich auf Eskapaden ein. Ich habe es schon früher gesagt, und ich wiederhole mich gerne: Du und Ethan, ihr hattet eine besondere Verbindung. Keine wirklich gesunde, aber dennoch eine Verbindung.«
»Und das heißt, dass ich seinen Geist in meinen Träumen aufsuche?«
Sie lachte freudlos. »Hältst du Darth Vader nicht für fähig, auch nach seinem Tod noch in deinem Kopf herumzuspuken? Er hält vermutlich gerade eine Personalbesprechung im Jenseits ab. Führt Mitarbeiterbewertungen durch. Erlässt Vorschriften.«
»Diese Sachen hat er geliebt.«
Mallory schwieg für einen Moment. »Hör zu«, sagte sie. »Vielleicht gehen wir an die Sache falsch heran. Ich meine, wir reden darüber, was es bedeutet und wie oft es passiert. Aber du hast mich jetzt schon wie oft deswegen angerufen – ein halbes Dutzend Mal? Vielleicht sollten wir mal darüber reden, was wir tun können, damit sie aufhören.«
Ich konnte aus ihrer Stimme nicht heraushören, ob sie sich Sorgen über meinen geistigen Zustand machte oder ob sie sich ärgerte, dass ich sie damit belästigte. Ich erwiderte nichts, weil ich wusste, wie sehr sie unter Stress stand, aber ich machte mir eine mentale Notiz, sie darauf noch mal anzusprechen, wenn es vorüber war.
Allerdings war ich von ihrem Vorschlag überhaupt nicht begeistert. Ich weiß, es klingt kläglich, aber in meinen Träumen lebte Ethan wenigstens noch. Er war real. Ich hatte keine Fotos von ihm und nur wenige Erinnerungsstücke. Selbst meine bewussten Erinnerungen waren verschwommen – mit jeder schienen seine Gesichtszüge weiter zu
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