Chicagoland Vampires
rannte die Treppe hinauf in den zweiten Stock, getrieben von meiner maßlosen Empörung.
Warum musste es immer so sein? Warum musste er alles und jeden kontrollieren, selbst wenn ein solcher Versuch alles bisher Bestehende auseinanderzureißen drohte?
Seit einiger Zeit beschlich mich ein ungutes Gefühl – die Angst, dass ich mich verändert hatte und dass Ethan sich verändert hatte und dass die Monate seiner Abwesenheit einen Keil zwischen uns getrieben hatten, der es uns unmöglich machte, wieder zueinanderzufinden.
Doch ich schob diesen Gedanken beiseite. Ich war Hüterin dieses Hauses, und da Kelley und Luc nun über ausreichend Wachen verfügten, konnte ich meinen Pflichten wieder ungehindert nachgehen. Ich würde also wieder uneingeschränkt Hüterin sein, und die erste Maßnahme war es, Mallory einen Besuch abzustatten. Paige und Seth konnten von hier aus Nachforschungen zur Verbindung Dominik-Seth anstellen, und ich würde mich direkt zur Quelle begeben. Sie hatte sich mein Vertrauen noch nicht verdient, aber ich bezweifelte, dass es sonst jemanden in Chicago gab, der so viel über das Maleficium und das darin enthaltene Böse wusste wie sie.
Ich machte den Reißverschluss an meiner Lederjacke zu, band meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und nahm mein Schwert mit. Selbstverständlich informierte ich Kelley über meine Pläne, bevor ich das Haus verließ, aber Ethan würde bis auf Weiteres nichts mehr von mir zu hören bekommen. Wenn er etwas von mir brauchte, konnte er mich anrufen. Jetzt galt es, meine Arbeit zu erledigen.
Ich trabte zum Tor. Als ich an den beiden Feensöldnern vorbeikam, starrten sie mich an. Ich blieb nach einigen Schritten neugierig stehen und erwiderte ihren Blick.
»Alles in Ordnung?«
Sie sahen einander an. Da sie fast gleich aussahen, schien es so, als ob sich einer von ihnen im Spiegel betrachtete. Ein sehr seltsamer Effekt in einer ohnehin schon seltsamen Stadt.
Mein Instinkt meldete sich, und ich kehrte zu ihnen zurück. »Was ist los?«
Sie drehten mir gleichzeitig ihr Gesicht zu. »Euer Dunkler«, sagte der Linke. »Es ist möglich, dass er sie kontaktieren wird.«
»Sie? Ihr meint Claudia?«
Er nickte. »Sie sind Bekannte, in gewisser Hinsicht.«
Also kannten sich Dominik und Claudia. Das hatte sie mir nicht anvertraut. Allerdings hatte ich sie auch nicht darauf angesprochen, und Claudia war nicht gerade ein mitteilsames Wesen.
»Kannten sie sich schon, als seine Flügel noch nicht schwarz waren?«
»Bereits vorher, währenddessen und auch danach«, sagte die andere Fee freiheraus. Sein Partner sah ihn mit schmalen Augen an. Er schien zu viel gesagt zu haben.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den vermeintlichen Teamchef und entschloss mich, das übliche diplomatische Geplänkel zu übergehen. »Warum erzählt ihr mir das?«
Diese Frage schien sie völlig zu überfordern. Da wir sie dafür bezahlten, vor unserem Haus Wache zu stehen, und nicht dafür, mit uns zu reden – und ich mich zugegebenermaßen dazu hatte verleiten lassen, bei einem Gespräch mit Claudia ein erhöhtes Interesse an einer Feenhalsschlagader zu entwickeln –, war ihre Verwirrung nur zu verständlich.
»Er ist gefährlich. Sie ist unsere Königin, aber sie lässt sich für seine … Vorschläge zu schnell begeistern. Je eher er verschwunden ist, umso besser für uns alle.«
Ich musste sicherlich nicht dazu motiviert werden, mir Dominik zu schnappen, aber Claudias Drohungen waren mir noch im Ohr. Sie duldete keine Widerrede. Wer ihr widersprach, sollte mit den Folgen leben können. Was auch immer sie und Dominik verband – Liebe oder Geschäftliches –, es machte die Dinge komplizierter, und das konnte ich im Moment gar nicht gebrauchen.
Ich nickte ihnen zu. »Vielen Dank für den Hinweis.«
Ich stieg in meinen kastenförmigen orangefarbenen Volvo, der mit Ethans brandneuem Aston Martin zwar nicht mithalten konnte, aber bis zu meiner nächsten Beförderung oder Gehaltserhöhung ausreichen musste.
Mein Handy klingelte, als ich gerade den Sicherheitsgurt umgeschnallt hatte. Ich legte es auf das Armaturenbrett und schaltete den Lautsprecher ein.
Ich nahm den Anruf mit einem »Hier spricht Merit« entgegen und fuhr los.
»Ich bin’s, Jeff.«
»Was gibt’s Neues?«
»Gar nichts. Catcher besucht Mallory, und bei uns ist überhaupt nichts los. Also, okay, ich habe einen neuen Server installiert, und der Kabelsalat war die Hölle, aber das war es dann auch schon.
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