Chicagoland Vampires
wir auch schon im Silo gehört hatten. Er trug einen Regenmantel, den er sich nun herunterriss, um seinen nackten Oberkörper zu entblößen. Dann rief er wieder sein riesiges Breitschwert herbei.
Und das war nicht das Einzige, was er mit sich führte.
Tate machte einen Buckel und streckte das Schwert von sich. Vor der entsetzten Menge wuchsen riesige schwarze Flügel aus seinen Schulterblättern. Die purpurschwarzen Membranen waren von Adern und Sehnen durchzogen und durch lange, dünne Knochen, an deren Enden sich rasiermesserscharfe Klauen befanden, auf Spannung gehalten. Die Flügelspannweite musste etwa sechs Meter betragen. Sechs furchterregende Meter. Sie schlugen einmal, dann noch einmal und erfüllten die Luft mit dem Gestank von Schwefel und Rauch.
Urängste jagten durch meinen Körper. Tate mochte vielleicht wie eine Kreatur aus einem Märchenbuch aussehen, aber das hier war kein Märchen. Er war etwas Altes, etwas Elementares in unserer Welt, das erschaffen worden war, um die Menschen zu richten , nicht sie zu schützen. Er konnte in die Herzen der Menschen blicken, und wenn man seinen Anforderungen nicht entsprach, dann trug man selbst die Schuld am eigenen Leiden.
Mein Plagenholz würde definitiv nicht helfen.
Aus der Menge waren Schreie zu hören. Der Anblick und Lärm lenkten mich ab, und der zweite Polizist schaffte es, mir mein Schwert zu entreißen.
Ich hätte mit ihm darum kämpfen können, aber ich wollte keine Polizisten angreifen, solange es nicht wirklich nötig war. Ich entschied mich daher, ihn anzuflehen, und streckte ihm meine Hand entgegen. »Bitte, jemand muss ihn aufhalten. Ich kann’s versuchen, aber nur mit meinem Schwert.«
Tate hatte vermutlich keine Ahnung, dass ich auch hier war, und es interessierte ihn sicherlich auch nicht, dass ich mich gerade in der Hand von Polizisten befand. Tate war damit beschäftigt, seinen eigenen Kampf zu führen. Er schob einen der Uniformierten zur Seite, der ihn aufzuhalten versuchte, und schlug mit dem Schwert nach einem der freigelassenen Kollegen. Der Polizist stolperte rückwärts, um sich vor ihm in Sicherheit zu bringen, aber das Schwert schnitt ihm ins Kinn, und er schrie vor Schmerzen auf.
Während alle vor dem Monster und seiner Waffe flohen, warf sich Jonah mitten in den Kampf, das Schwert gezückt. Bevor Tate bemerkte, dass er da war, hatte Jonah zugeschlagen und dem dünnen Gewebe eines der Flügel eine klaffende Wunde beigebracht.
Tate brüllte und drehte sich. Sein riesiger Flügel traf Jonah und warf ihn durch Luft.
»Jonah!«, schrie ich und sah dann den zweiten Polizisten wieder flehend an. »Bitte, um Gottes willen, geben Sie mir mein Schwert zurück.«
Er sah nervös zwischen mir und der chaotischen Szene hin und her, die sich nur wenige Meter vor ihm abspielte. »Was zur Hölle ist das?«
Polizisten wurden für eine Menge Sachen geschult, doch anscheinend hatte niemand diesen armen Kerl auf einen solchen Anblick vorbereitet.
Ich entschied mich für eine einfache Antwort, denn dies war nicht der richtige Zeitpunkt für komplizierte Wahrheiten. »Er ist ein Monster. Er ist etwas, was nicht hierher gehört, aber er wird eine Menge Schaden anrichten, bevor er wieder verschwindet. Ich bin eine Vampirin, und ich glaube, ich kann ihn aufhalten, aber ich brauche mein Schwert.«
Immer noch nichts. Der Kerl sah mich mit panischem Entsetzen an und war völlig gelähmt. Ich musste also mit meinem Namen punkten.
»Ich bin Caroline Merit«, sagte ich. »Chuck Merits Enkelin.«
Seine Augen wurden wieder klar, und seine Gesichtszüge verrieten mir, dass er zu verstehen begann. Nicht mich, das wohl kaum, aber meinen Großvater, der jahrelang auf Chicagos Straßen Streife gegangen war, bevor Seth Tate ihn zum Ombudsmann ernannt hatte.
Der Polizist, den Tate am Kinn verletzt hatte, schrie auf, als Tate ihn mit dem Schwert niederschlug. Kollegen, die sich in der Menge befanden, eröffneten das Feuer, aber ihre Kugeln hatten keinerlei erkennbare Wirkung.
Er hatte also nicht nur magische Waffen, riesige Flügel und ein Schwert, er war auch noch immun gegen Kugeln. Es wurde immer besser.
»Ich muss jetzt los!«, sagte ich zu dem Polizisten.
Er brauchte eine Sekunde, nickte dann aber und reichte mir mein Schwert. »Los! Los!«
Ich nickte, nahm es entgegen und genoss das Gefühl der Lederschnürung in meiner Handfläche. Ich brüllte, um die Schüsse zu übertönen. »Bitte versuchen Sie, Ihre Kollegen davon abzuhalten, auf mich zu
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