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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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anderes.»
    «Um was denn?»
    Er liess sich langsam auf das Bett seines Zimmergenossen nieder. «Seien Sie vorsichtig, Stauffacherin», sagte er eindringlich.
    «Was meinen Sie damit?»
    «Ich glaube nicht mehr daran, dass Jost sich auf dem Dachboden erhängt hat. Das hat er doch nicht? Sagen Sie mir die Wahrheit, bitte!»
    «Sie haben recht. Jost wurde getötet», erwiderte Anna leise.
    Henning schloss die Augen. «Wo sind wir da nur hineingeraten?»
    Anna wurde plötzlich kalt. «Was ist Ihnen widerfahren, Henning?»
    «Das ist eine lange Geschichte. Einen Teil davon habe ich mir gestern zusammengereimt, als ich hier wie eine Mumie lag. Die Baronin von Helmdorf und die eigenartige Episode in der Kleinen Suite haben wohl das Interesse von Stellen in Berlin geweckt, mit denen niemand etwas zu tun haben möchte. Die Baronin wurde einem diskreten Verhör unterzogen, und sie gestand einer guten ‹Freundin›, dass sie sich in jener Nacht mit dem Barkeeper des Hotels zu einem Rendezvous verabredet hatte. Also wurde beschlossen, sich einmal eingehend mit diesem Barkeeper zu befassen. Das heisst, mit mir.»
    «Aber das war doch Jean!» Natürlich, Jean hatte die Bar tatsächlich ungewöhnlich oft Charles überlassen. Aber sie hatten damals alle geglaubt, er hätte im Dorf eine Liebschaft. Und auf einmal begriff Anna: Albert, Hennings ursprünglicher Ersatz, hatte nicht wegen eines familiären Unglücksfalls gekündigt. Das war kurz vor Ankunft der Hatvanys geschehen – zu viel Zufall. Wahrscheinlich hatte man ihn mit Geld überredet zu kündigen, und dann hatte Jean seine Stelle übernommen. Jean, der charmante, aber untalentierte Barkeeper, hatte demnach die Suite zerstört!
    Henning machte ein verächtliches Geräusch und hielt sich dann die Seite. «Sehen Sie, dieses kleine Detail entging den Herrschaften in ihrem Eifer. Irgendwo gab es eine Akte über mich, den Barkeeper des Splendid, und die Baronin hatte ein Stelldichein mit dem Barkeeper des Splendid. Das reichte schon, um die Maschinerie in Gang zu setzen.»
    Langsam begann Anna zu verstehen. Sie setzte sich zu ihm. «Oh, Henning!»
    «Es war eine umfangreiche Akte, in der auch meine ‹widernatürlichen Neigungen› aufgelistet waren. Die ich übrigens in meiner moralischen Verwerflichkeit einfach ignorierte, als ich mich der Baronin in unsittlicher Absicht näherte.»
    Sie griff nach seiner Hand, weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte.
    Er erwiderte ihren Händedruck. «Sie haben ihr Wissen gnadenlos ausgenutzt. Wohl in der Hoffnung, so an mich, und was immer ich angeblich wissen mochte, heranzukommen. Oberleutnant Ranke hat mir inzwischen sehr deutlich erklärt, dass dies der ekelerregendste Auftrag seiner Laufbahn war: Zuneigung zu jemandem wie mir heucheln – zu mehr als Worten und Blicken ist es nie gekommen –, hat seine Offiziersehre zutiefst besudelt. Aber was tut ein aufrechter Offizier nicht für Kaiser und Vaterland? Zur Belohnung hielten seine Kameraden mich für ihn fest. Ein Stück Abschaum wie ich verdient natürlich keinen gerechten Kampf.»
    Damit war das Schlimmste gesagt. Eine Weile blieben sie einfach so schweigend sitzen, ihre Hände ineinander verschlungen.
    «Sie haben versucht, mich zu warnen», sagte er schliesslich, «und ich habe es Ihnen nicht gedankt. Können Sie mir verzeihen?»
    «Nein, Henning», erwiderte Hanna bedrückt, «Sie müssen mir verzeihen. Ich hätte Ihnen sagen müssen, was für einen Verdacht ich bezüglich des Herrn hatte. Ich wusste, dass seltsame Dinge im Haus vor sich gehen und die Herren Offiziere vielleicht darin verstrickt sind.»
    «Lassen Sie’s gut sein, Stauffacherin. Ich verstehe nur die Hälfte von dem, was vorgefallen ist, und schon diese Hälfte gefällt mir kein bisschen. Irgendetwas war wohl in der Kleinen Suite versteckt oder ist es immer noch. Als die Herren Offiziere endlich begriffen, dass ich letzten Sommer auf der Suche danach keine deutsche Adelsfrau entehrt hatte, hörten sie auf, mich zu befragen, und wiesen mich an, den Mund zu halten. Ich nehme an, sie hätten sich meiner gerne ganz entledigt, aber der Oberleutnant meinte, es würde auffallen, wenn innert zwei Tagen zwei Angestellten des Hotels ein Unglück zustösst. Ich fand das recht rücksichtsvoll von ihm. Angeblich haben die Herren mit Josts Tod nichts zu tun. Nur frage ich mich, wer war es dann?»
    «Ich weiss es nicht, aber Oberleutnant Ranke und seine Männer haben Jost tatsächlich nicht getötet.»
    «Und dass

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