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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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abzusichern.»
    «Pah – wir haben unsere eigenen Spezialisten. Wir brauchen Ihr Verräterhirn nicht!»
    «Das möchte ich doch bezweifeln», liess sich da eine hochnäsige Stimme von der Seitentür her vernehmen. «Sollte das Evidenzbüro mit dieser Chiffre keine Probleme haben, so ist sie nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurde.»
    Es konnte sich nur um Oberleutnant Ranke handeln, der jetzt, flankiert von zwei Kameraden, die Remise betrat. Er trug wie seine Begleiter Knickerbocker und eine Norfolkjacke – trotz dieser sportlichen Aufmachung war ihm der Offizier anzumerken, zumal er jetzt die Hand zu seiner Schiebermütze führte und vor Christian salutierte.
    «Lieutenant Wyndham, nach allem, was ich über Sie weiss, würde ich mir nicht anmassen, auf Ihr Wissen verzichten zu wollen. Das Deutsche Reich ist zu Verhandlungen bereit.»
    «Die Chiffre gehört Österreich-Ungarn, und ich werde eher sterben, als sie in fremde Hände gelangen zu lassen!» Die Frau Kommerzialrat mochte leicht verrückt erscheinen, aber sie hatte sich inzwischen ausser Reichweite der Offiziere begeben, und sie war immer noch die Einzige mit einer gezogenen Waffe.
    «Es lohnt sich nicht, für dieses Manuskript zu sterben!»
    Interessiert notierte Christian das Auftauchen einer dritten, auch ihm bisher unbekannten Partei mit einem nicht zu überhörenden russischen Akzent.
    Ein untersetzter Herr mit leicht zerzaustem Haar quetschte sich durch das angelehnte Tor. «Das hier», er hielt ein Blatt Papier hoch, das einmal eine Flugmaschine gewesen war, «ist eine elegante Chiffre.» Er bedachte Christian mit einer anerkennenden Verbeugung. «Ich habe sie noch nicht entschlüsselt, doch jedermann, der etwas von Kryptographie versteht, erkennt sofort, dass das nicht die Hatvany-Chiffre sein kann. Das sieht mir sehr nach einem Playfair-Verfahren aus. Berlin und Wien hielten es natürlich nicht für nötig, Leute mit den richtigen Kenntnissen auf eine solche Mission zu schicken.»
    «Petersburg schickt dafür einen Kapellmeister», schnauzte die Frau Kommerzialrat und wies den Herrn mit der Waffe an, sich zu Christian und den Offizieren neben die Kutsche zu gesellen.
    «Mehr als nur ein Kapellmeister, meine Liebe. Musik und Kryptographie haben viele Gemeinsamkeiten – wie Ihnen Lieutenant Wyndham bestätigen kann.»
    Der Mann wandte sich Christian zu. «Gestatten Sie – Alexander Mamonov; ich bin sehr gespannt auf diese angebliche Fundsache. Als man mir zum ersten Mal von Professor Hatvanys erstaunlicher Ankündigung erzählte, hatte ich nämlich meine Zweifel.»
    «Die Chiffre gehört Österreich-Ungarn.» Frau Göweil fuchtelte mit ihrer Ladysmith herum.
    Oberleutnant Ranke hatte sichtlich Mühe damit, von einer Frau in Schach gehalten zu werden. «Oh, halten Sie endlich den Mund! Sie haben mit Ihren unbedachten Handlungen bereits viel zu viel Aufmerksamkeit auf uns alle gelenkt. Dass Sie den Hausburschen umbringen mussten, war Ihnen nicht genug. Sie planten tatsächlich, das Hotel in Brand zu stecken? Wir hätten alle in dem Feuer umkommen können!»
    Frau Göweil machte ein verächtliches Geräusch. «Oh bitte! Seit wann zeigen denn deutsche Offiziere einen solchen Hang zum Drama? Und was den Hausburschen anbelangt, er hätte sich ja auf kein Schäferstündchen einlassen müssen.»
    Der Oberleutnant schüttelte nur den Kopf; doch Christian musste der Dame zugestehen, dass sie sich geschickt verhielt. Nichts von dem, was sie gesagt hatte, konnte als Geständnis gelten. Sie war nicht die Närrin, für die der Oberleutnant sie hielt. Aber das Evidenzbüro dürfte trotzdem über ihr Vorgehen nicht sonderlich erfreut sein. Das mochte mit ein Grund sein, warum sie sich mit solcher Vehemenz einsetzte – sie brauchte den Erfolg als Rechtfertigung für ihr Handeln.
    Und sie war nicht die Einzige. Oberleutnant Rankes Mission war keineswegs so verlaufen, wie er sich das vorgestellt haben mochte. Er bedachte den Kapellmeister mit einem ungnädigen Blick, immerhin hatte der Mann seine Fähigkeiten in Frage gestellt. Widerwillig schien er jedoch dessen grösseres Fachwissen anzuerkennen. «Wenn das nicht die Chiffre ist, warum verschwenden wir dann hier unsere Zeit?»
    Der kleine Russe zuckte mit den Schultern. «Das möchte ich auch gerne wissen. Ich frage mich, ob wir nicht alle hinter einem Hirngespinst herjagen.»
    «Ich wünschte mir, Sie hätten recht.» Eine gross gewachsene Frau stand im Tor, sie trug einen eleganten,

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