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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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ein langer Absatz zur Geschichte dieser Kunst seit der Antike. Nachdenklich klappte Anna das Buch zu und kehrte in ihre Kammer zurück.
    Vor zwei Jahren hatten die Pagen Herrn Ganz mit einer neuen «Unsitte» in Rage gebracht: kleine Zettelchen in einer Geheimsprache. Es war ihm nicht gelungen, das System hinter der Chiffre zu entdecken, denn die Pagen hatten nicht einfach nur Buchstaben vertauscht. Natürlich war ein solches Unterfangen suspekt, aber der Enthusiasmus der sonst so lernunwilligen Pagen hatte Herrn Ganz doch beeindruckt.
    Anna hatte ihm geraten, nichts zu unternehmen. Die geheimnisvollen Botschaften verloren an Reiz, wenn niemand versuchte, sie zu entziffern. Sie hatte recht behalten, die Zettelchen verschwanden so plötzlich wieder, wie sie aufgetaucht waren.
    Sie hatte die Episode schon fast vergessen, doch jetzt wurde ihr klar, dass die Geheimbotschaften damals kurz nach einem Aufenthalt der Hatvanys aufgetaucht waren. Der Professor musste wohl ein paar Vorlesungen aus dem Stegreif gehalten und dabei eine besonders enthusiastische Zuhörerschaft gefunden haben.
    Doch das alles half ihr nicht dabei, eine Antwort auf die Frage zu finden, was mit den Hatvanys geschehen war. Sie machte ein paar Notizen und brachte das «Wer ist’s» zurück.
    Erst später fiel ihr ein, dass sie mit Henning noch gar nicht über Fräulein Eberhardt gesprochen hatte. Beunruhigt wartete sie am Nachmittag auf die Rückkehr der schlanken Gestalt. Fräulein Eberhardt tauchte erst nach Einbruch der Dunkelheit auf. Anna war bei ihrem Anblick nicht unbedingt erleichtert; sie hatte eher das Gefühl, dass das Unvermeidliche nur wieder um einen Tag hinausgezögert worden war.

Begegnung mit Folgen
    «Was ans Herz rührt – Ein Gebirgsdorf im Schnee.»
Kopfkissenbuch der Dame Sei Shonagon, um 1000
    Zu Christians Erleichterung liess Hastings das Thema «Sternenbach» bis zu seiner Heimreise ein paar Tage später ruhen. Stattdessen drehten sich ihre Gespräche um japanische Poesie und die Kunstwerke in Tante Elinors Sammlung. Hastings, der Christians Vorlieben kannte, stellte viele Fragen nach den Künstlern, Motiven und Techniken der prächtigen Farbholzschnitte, die alle Räume im Haus zierten.
    Christian erhielt indes auf seine Fragen im Haus keine Antwort. Frau Haag, die Haushälterin, verstand nur sehr wenig Englisch und war kaum in die Geheimnisse ihrer Dienstherrin eingeweiht gewesen. Und die Gesellschafterin seiner Tante hatte vor ihrer Rückkehr nach England auf Anweisung hin alle privaten Papiere vernichtet. Die Kleider und persönlichen Gegenstände Tante Elinors waren ebenfalls gemäss den Wünschen der Verstorbenen verteilt worden. Nur die Schmuckschatulle stand noch auf dem Frisiertisch, versehen mit einer kurzen Notiz in der energischen Handschrift: «Für meine Tochter Georgiana, sollte sie mir je verzeihen.»
    Als Christian von seinem Erbe erfahren hatte, war er sich nicht sicher gewesen, ob er es annehmen konnte. Er hatte das Thema gegenüber Georgiana vorsichtig zur Sprache gebracht, ihre Antwort fiel deutlich aus: «Sei kein Narr, du kannst es gerade jetzt besser gebrauchen als Freddy und ich. Keiner von uns beiden will jetzt noch etwas von ihr. Wir hätten sie gebraucht, als sie noch lebte.»
    «Bist du mir böse, dass ich sie besucht habe?» Er hatte ihr diese Frage nie zuvor gestellt, noch je mit ihr über die Besuche gesprochen, über die sie allerdings Bescheid gewusst hatte.
    «Gewiss nicht. Sie war deine Tante, und sie wollte dich sehen, was hättest du auch sonst tun sollen? Es ist nicht deine Schuld, dass sie von ihren eigenen Kindern nichts wissen wollte.»
    Und als er ihr später mitteilte, dass er beabsichtigte, in die Schweiz zu ziehen, hatte sie nur gesagt: «Du wirst in ihrem Haus leben, nicht wahr? Vielleicht komme ich dich trotzdem einmal besuchen.»
    Seltsamerweise erwähnte nun auch Hastings bei seiner Abreise, dass Georgiana vielleicht in die Schweiz reisen würde, um ihren Cousin zu sehen.
    «Das kann ich mir nicht vorstellen.» Christian war darüber erstaunt, dass Hastings Georgiana überhaupt erwähnte. Er hatte stets den Eindruck gehabt, dass Hastings zu den wenigen Männern gehörte, die Georgiana nicht beeindrucken konnte. «Sie mag weder den Winter noch die Berge besonders. Und da sie schon den ganzen Sommer über meinetwegen in London bleiben musste, hoffe ich doch, sie wird sich jetzt etwas Ruhe an der Riviera gönnen.»
    «Nun, wir werden sehen. Alles Gute, Wyndham. Ich wünsche

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