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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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so schlimm.» Sie zögerte, doch Henning würde ihr Glauben schenken. «Nur ganz geheuer war mir die Sache schon nicht.»
    Das erweckte seine Neugier. «Warum denn das?» Er schob die kummervolle Bestandsliste zur Seite. «Erzählen Sie mir bloss nicht, dass da ein Poltergeist am Werk war. Ich habe Sie bisher für keine Spiritistin gehalten.»
    «Natürlich nicht! Aber ich glaube auch nicht, dass das nur ein Streich oder ein dummer Schabernack war. Es scheint mir, als ob man die Zimmer durchsucht und nicht nur zerstört hätte.»
    «Du liebe Zeit», entfuhr es ihm, «das erinnert mich an etwas. Das mit dem Durchsuchen meine ich – das wollte ich Ihnen gestern schon erzählen, aber dann waren Sie so beschäftigt. Und überhaupt ist es keine schöne Geschichte, die man sich beim ersten Wiedersehen erzählen sollte.»
    Anna starrte ihn nur verwirrt an.
    «Verzeihung, ich sollte ganz von vorn anfangen. Waren Professor Hatvany und seine Gattin diesen Sommer hier?»
    «Ja, natürlich – wie immer.»
    «Und war irgendetwas seltsam? Haben sie sich anders als sonst verhalten?»
    «Der Professor schien etwas geistesabwesend. Aber Sie wissen ja, wie er ist – immer ein wenig zerstreut. Frau Professor Hatvany entschuldigte sich dafür. Sie sagte, dass er an einer grossen Schrift arbeite, die ihn sehr in Anspruch nehmen würde.»
    «Und was war mit ihr?»
    «Sie sah etwas müde aus. Sie machte sich wohl Sorgen um ihren Gatten. Sie sind dann auch frühzeitig abgereist. Aber was sollen all die Fragen nach den Hatvanys?»
    Henning legte ihr eine Hand auf die Schulter. «Sie sind tot, alle beide.»
    Anna hielt sich am Tresen fest. «Wie bitte? Aber wie ist das möglich? Was ist denn nur passiert?»
    Er holte ein Glas hervor und schenkte ihr einen Cognac ein. «Den trinken Sie besser. Eines Tages habe ich in der Zeitung eine Kurzmeldung gesehen, dass es im Hermitage in Nizza zu einem tragischen Unglücksfall gekommen sei. Ein bekannter ungarischer Gelehrter, Professor H., und seine Gattin waren tot in ihrem Zimmer aufgefunden worden. Ein Freund von mir arbeitet im Hermitage. Er nannte mir die Namen der Hatvanys. Was er dann noch erzählte, war aber kaum zu glauben. So wie die Meldung abgefasst war, hatte ich schon vermutet, dass es sich um Mord und Selbstmord handelte. Aber dass man die Waffe in der Hand der Frau Professor gefunden hatte, damit hatte ich nicht gerechnet.»
    Anna hätte sich beinahe am Cognac verschluckt. Henning klopfte ihr kräftig auf den Rücken. Als sie sich erholt hatte, schüttelte sie den Kopf. «Das mag ich einfach nicht glauben.»
    Sie erinnerte sich, wie die Hatvanys nach jedem Mittagessen Arm in Arm zum Wäldchen neben der Dépendance spaziert waren, um die Vögel und Eichhörnchen mit Resten aus dem Speisesaal zu füttern. Und nun war ihr Leben in einem doppelten Akt der Gewalt ausgelöscht worden, dem sich Annas Verstand einfach verweigerte.
    «Sie sind nicht die Einzige, die mit der Vorstellung einer solchen Tat Mühe hat. Die französischen Behörden waren wohl auch etwas misstrauisch. Mein Freund erzählte mir, dass innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach Auffinden der Leichen die ‹Tigerbrigaden› aufgetaucht sind.»
    «Die ‹Tigerbrigaden› – was ist denn das?»
    «Sagen wir ein besonderer Zweig der französischen Polizei, mit dem man nicht unbedingt zu tun haben möchte. Sie werden hinzugezogen, wenn man die Untersuchungen nicht der örtlichen Gendarmerie überlassen will. Sie sollen die Zimmer der Hatvanys richtiggehend auf den Kopf gestellt haben – fast so, als ob sie nach etwas Bestimmtem gesucht hätten. Gefunden haben sie es wohl nicht, denn sie reisten ausgesprochen schlechter Laune wieder ab.»
    Anna betrachtete das Glas in ihren Händen. Ihr wurde leicht schwindlig, und das rührte nicht vom Cognac her. «Henning, die Hatvanys hatten dieses Jahr nicht das Doppelzimmer mit Blick auf den Park, das sie sonst immer buchten. Sie feierten Goldene Hochzeit, und als der Patron davon hörte, offerierte er ihnen die Kleine Suite zum selben Preis. Natürlich nur, weil die Burckhardts in letzter Minute abgesagt hatten.»
    «Wann genau war das?»
    Anna musste nicht lange überlegen. «Während der ersten Junihälfte; danach bezog die Baronin die Kleine Suite.»
    «Danach müssen die Hatvanys wohl direkt an die Riviera gefahren sein. Die Tragödie dort ereignete sich Ende Juni.»
    «Und am 1. August wurde die Kleine Suite zerstört.» Anna hatte ihr Notizbuch gezückt und die Daten

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