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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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abzuräumen.
    Christian setzte sich wieder in seinen Sessel. «Also gut, Miss Staufer, ich wäre froh, wenn Sie mir die Bücher auf dieser Liste so schnell wie möglich besorgen könnten.»
    «Selbstverständlich, ich werde mich gleich darum kümmern.» Sie presste die Mappe an sich, bedachte Ammann, der das Geschirr klappernd zusammenstellte und dabei ein fröhliches Liedchen pfiff, mit einem tadelnden Blick und verabschiedete sich.
    Anna brachte die Mappe in ihre Kammer. Endlich würde sie die Stimme der hochmütigen Dame zu hören bekommen. Es fiel ihr schwer, nicht gleich mit Lesen anzufangen, aber das ging natürlich nicht. Während sie sich wieder an die Arbeit machte, gingen ihr allerlei unzusammenhängende Gedanken durch den Kopf. Was würde wohl der Patron sagen, wenn er wüsste, dass sie Gedichte aus der Hand des Lieutenants in ihrer Kammer aufbewahrte? Dass es nur Übersetzungen waren, würde ihn kaum interessieren. Jost machte ihr etwas Sorgen. Sie hoffte sehr, dass Lady Georgiana nichts mit seiner guten Laune zu tun hatte. Und hatte Lieutenant Wyndham ihr Unbehagen bemerkt, als Lady Georgiana von Oberleutnant Ranke sprach? Ihm schien ja nicht viel zu entgehen. Sie musste endlich mit Henning sprechen.
    Als sie ins Vestibül kam, fand sie Herrn Ganz wiederum in ein lebhaftes Gespräch mit dem Herrn Kapellmeister verwickelt. Sie wartete geduldig, bis die Krise gelöst war.
    «Also so was», meinte Herr Ganz, während der kleine Mann mit energischen Schritten davonstapfte. «Können Sie sich das vorstellen? Herr Mamonov ist immer noch über die Unterbringung in der Dépendance aufgebracht. Jetzt eben hat er sich heftig beklagt, dass all die feuchte Luft aus der Lingerie die Instrumente beschädigen würde! Ich habe ihm angeboten, die Instrumente hier im Haus zu lagern, aber davon wollte er nichts hören.»
    «Musiker sind halt manchmal etwas eigen.»
    «Nicht nur Musiker. Nach allem, was ich gehört habe, hatten Sie heute bereits alle Hände voll zu tun mit der Frau Kommerzialrat. Nun, wie es scheint, haben Sie die Wogen in Ihrer üblich dezenten Art und Weise geglättet.»
    «Wir wollen es hoffen. Frau Göweil macht die Mädchen mit all diesem Gerede von Geistern und Präsenzen ganz zappelig.»
    «Ach du je! Nun, ich hoffe, sie hält sich an ihre Pläne und reist nach Neujahr wieder ab.»
    Anna wollte ihm zustimmen, als die Eingangstür aufschwang und ein Herr in einem eleganten sandfarbenen Ulster-Mantel das Vestibül betrat. Er hatte einen buschigen Schnurrbart und rauchte eine würzig duftende Zigarre. Sein umfangreiches Gepäck wurde von mehreren Portiers hereingebracht.
    Herr Ganz eilte hinter der Réception hervor. «Herr Konsul, Sie sind früher eingetroffen als erwartet!»
    Der Mann klopfte ihm zur Begrüssung auf den Rücken. «Mein guter Ganz, wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass Mister Deveraux völlig ausreicht, wenn ich nicht im Dienst bin. Wann war ich denn das letzte Mal hier? Vor vier oder fünf Jahren. Ich sollte öfters kommen, dann würden Sie es sich vielleicht merken.»
    Anna hatte den Herrn noch nie gesehen, doch er war ihr aus zahlreichen Schilderungen bekannt. Es handelte sich um den amerikanischen Konsul in Zürich. Warum er wohl gerade jetzt wieder einmal das Splendid aufsuchte? War das einer jener Zufälle, an die der Lieutenant nicht glauben mochte?
    «Und wo steckt Derringer, dieser Tagedieb?», liess sich der Gentleman laut vernehmen. «Eigentlich wollte ich meine alten Knochen ja an der Riviera wärmen, aber als ich hörte, dass Matthew Derringer hier die Bar leer trinkt, musste ich einfach kommen.»
    Kein Zufall also, sondern alte Bekannte. Anna kehrte an ihre Arbeit zurück.
    Am frühen Nachmittag traf Anna endlich Henning in der Bar an. Er war am Inventarisieren, um vor unliebsamen Überraschungen in der Neujahrsnacht gefeit zu sein. Sie beobachtete eine Weile, wie er stirnrunzelnd die Regale hinter der Bar studierte. Schliesslich bemerkte er sie im Spiegel.
    «Stauffacherin, was verschlägt Sie in diesen Sündenpfuhl? Ich habe gehört, wie der Patron mit Ihnen umgesprungen ist. Und dann diese lächerliche Unterstellung.» Er kam hinter der Bar hervor und legte ihr eine Hand auf die Schulter. «Das ist es doch, nicht war? Denn wenn es das nicht ist, dann tut es mir wirklich leid, vor allem jetzt, wo diese Lady Georgiana aufgetaucht ist. Cousin und Cousine sind ja ein bisschen arg verwandt, aber in Adelskreisen wird das etwas anders gehandhabt.»
    Zuerst begriff Anna

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