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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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Wochenlöhne kosten. Die Gräfin reist heute noch ab, da sollte ich ihn jetzt lieber gleich zurückbringen.» Sie strich gedankenverloren über das seidige Gewebe.
    Lady Georgiana beobachtete sie einen Moment und knipste dann die Taschenlampe aus. «Wie kann die Gräfin denn abreisen? Ist die Bahnlinie wieder offen?»
    «Ja, gegen sechs Uhr wird der erste Zug eintreffen.»
    Es schien Anna, als sei Lady Georgiana über diese Nachricht nicht sehr erfreut, doch vielleicht hatte sie sich im Dämmerlicht der Remise getäuscht.
    Sie kehrten, wie es sich gehörte, auf verschiedenen Wegen ins Hotel zurück: die Lady durch den Haupteingang, die Gouvernante durch einen der Hintereingänge.
    Bevor Anna den Schal zur Gräfin brachte, schaute sie noch kurz in der Bar vorbei. Von Henning war immer noch nichts zu sehen. Dann ging sie zum Zimmer der Gräfin. Die Zofe nahm den Schal mit einem Schwall russischer Dankesworte in Empfang. Anna sah, dass die Frau den Tränen nahe war – sie dankte ihr wohl nicht nur für den Schal, sondern auch dafür, dass sie ihre Herrin ohne Skandal abreisen liess.
    Anna ging auf ihre Kammer, um abzulegen, und drehte danach ihre nachmittägliche Runde. Sie prüfte auch die Wäschekammern. An der Innenseite der Schranktüren hingen Listen, in denen der Inhalt jeweils genau nachgeführt wurde. Die Blätter wurden jeden Montag kontrolliert; es war jetzt also genau eine Woche her, dass das zum letzten Mal geschehen war. Sie seufzte – der Wäschediebstahl hatte also irgendwann in der vergangenen Woche stattgefunden, aber sie hatte keine Möglichkeit herauszufinden, an welchem Tag. Zudem fehlten nicht aus einer, sondern aus mehreren Kammern Stücke. Während die Mädchen die Zimmer machten, waren die sonst abgeschlossenen Kammern natürlich offen, und jedermann konnte sich hier bedienen, was auch oft genug geschah.
    Anna verbrachte den Rest des Nachmittages damit, Versäumtes nachzuholen und sich um die Abreise verschiedener Gäste zu kümmern. Während die Gräfin Tarnowska nicht ganz freiwillig abreiste, hatten etliche Gäste wegen des Schnees ihre Abreise verschieben müssen, und diese Herrschaften waren jetzt sehr darauf erpicht, mit dem ersten Zug, der Sternenbach wieder erreichte, abzureisen.
    Beim Abendessen bemerkte Anna, wie Herr Ganz Charles, der Hennings Zimmerkamerad war, mit einem Tablett nach oben schickte.
    «Ist das für Henning? Ich habe ihn den ganzen Tag nicht gesehen. Geht es ihm nicht gut?» Nun hatte sie ein schlechtes Gewissen, sie hätte sich eher darum kümmern sollen.
    Herr Ganz schien das zu bemerken. «Keine Sorge, meine Liebe, er hatte einen kleinen Unfall», sagte er. «Er ist die Treppe zum Untergeschoss hinuntergestürzt. Doktor Reber hat ihn sich angesehen und erklärt, dass nichts gebrochen ist, aber etwas Bettruhe verordnet. Sie hatten gestern einen schlimmen Tag, deshalb bat mich Henning, Ihnen nichts zu sagen. Ich habe mich darum gekümmert, dass er gut versorgt ist.»
    Das kam davon, wenn man seine Arbeit vernachlässigte. Es hatte im Haus nicht nur einen Unfall gegeben, man hatte sogar den Doktor rufen müssen, und sie hatte nichts von all dem bemerkt! Anna dankte Herrn Ganz, beschloss aber, sich noch selbst davon zu überzeugen, wie es Henning ging.
    Doch zuerst musste sie ihren Zofenpflichten nachkommen. Lady Georgiana, die von Paget bereits tadellos hergerichtet worden war, erschien unruhig. Vielleicht forderten die Geschehnisse der letzten Tage endlich ihren Tribut.
    «Ich war bei Christian und habe ihm erzählt, was wir alles herausgefunden haben. Verständlicherweise war er von unseren Abenteuern nicht sehr angetan. Es gefällt ihm gar nicht, dass wir uns angeblich in Gefahr begeben haben. Er meint, man hätte uns vielleicht beim Leeren der Kanister beobachtet.»
    «Wir waren meistens von der Remise verdeckt, und bei dem Schneefall wäre sowieso kaum etwas zu erkennen gewesen.»
    «Das habe ich ihm auch gesagt, aber Sie wissen ja, wie Männer sind! Frauen sollen sich unter keinen Umständen in Gefahr begeben!»
    «Nach allem, was wir inzwischen wissen, ist die Suite der gefährlichste Ort im Splendid», meinte Anna.
    Lady Georgiana kämpfte mit dem Verschluss eines Armbands. Anna half ihr und wunderte sich, warum sie sich ausgerechnet heute so herausputzte. Sie trug ein Kleid aus dunkelblauem Satin mit bunt glitzernden Stickereien an Mieder, Ärmeln und Schleppe. Die vergangenen Abende hatte sie einmal elegant und einmal verführerisch ausgesehen – heute

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