Chili Con Knarre

dahin solltet ihr euren Platz gefunden und mit euren Skizzen begonnen haben. Ich möchte, dass ihr seht, wie wichtig das Licht ist, um Schatten hervorzurufen.« Sie blickte in die jungen Gesichter vor sich. »Wir haben keine Vorstellung mehr davon, wie die vollkommene Dunkelheit aussieht. Unsere Welt ist von Licht erfüllt - von natürlichem wie auch von künstlichem. Aber die Frühzeitmenschen lebten in Höhlen und hatten ständig mit der Dunkelheit zu kämpfen. Trotzdem gelang es ihnen schließlich, in Höhlen wie diesen zu malen. Ich möchte, dass ihr darüber nachdenkt, was für eine Herausforderung das für diese Menschen gewesen sein muss, und dass ihr um der Kunst willen dankbar seid, dass man das Feuer entdeckt hat. Denkt dran, sieben Uhr, und nun viel Spaß!«
    »Und bitte fasst keine der Gesteinsformationen an«, ergänzte freundlich eine Führerin. »Euer Hautfett könnte schädlich für die Felsen sein.« Gillian blickte auf ihre Hände und wedelte dann damit vor ihrem Gesicht herum, als wollte sie Unreinheiten abschütteln. Die Führerin sah sie fragend an und fuhr dann fort: »Es sind vier Führer auf die Höhlen verteilt, für den Fall, dass ihr irgendwelche Fragen habt oder da unten die Orientierung verliert. Ihr müsst immer auf dem Hauptweg bleiben. Und passt auf, wo ihr hintretet. An manchen Stellen sind die Wege ziemlich glitschig.« Sie lächelte und setzte dann ihre Rede fort, die sie bestimmt schon mehrere tausend Mal gehalten hatte. »Wie ich sehe, habt ihr alle
Mäntel dabei. Das ist gut. Da unten sind es um die zehn Grad - etwa so viel wie draußen im Freien. Ehe wir losgehen, würde ich euch empfehlen, noch mal die Toilette aufzusuchen, denn es gibt noch jede Menge Treppen, die ihr wieder hochsteigen müsstet, um hierher zurückzukommen.«
    Mehrere Mädchen stürmten zu den Toiletten, während die übrigen Schüler ihre Zeichenutensilien herrichteten. Als alle fertig waren, las Lindy laut vor, wer mit wem zusammen gehen sollte. Zur Enttäuschung einiger Schüler hatte sie die Paare nach Geschlechtern zusammengestellt, so dass die Gefahr unterirdischer Schmusesitzungen geringer war. James seufzte erleichtert.
    »Oh, ich kann es gar nicht erwarten, die sublime Architektur der Natur zu betrachten«, schwärmte Gillian. Sie schloss ihren knallgelben zwiebelförmigen Parka und drängelte sich in die erste Reihe vor.
    Während sie die Treppe hinunterstiegen, händigte Lindy James und Bennett einen Lageplan aus und teilte ihnen mit, dass ihr Kontrollbereich von einem Ort namens Hades bis zu einem anderen mit der Bezeichnung Saal des Riesen reichte und eine große Kammer einschloss, der man den Namen Kathedrale gegeben hatte, weil dort die Stalacpipe-Orgel ihre surrealen Melodien zu spielen pflegte.
    »Ich werde zusammen mit Rektor Chavez um den Ballsaal herumschweben«, fügte sie mit einem verschmitzten Grinsen hinzu.
    »Und wo wird Kinsley sein?« James konnte es sich einfach nicht verkneifen, Lindy ein wenig zu necken.
    Lindy deutete auf den Plan. »Sie und Gillian werden
sich in der Nähe des Schiefen Turms und der Zwillingsseen aufhalten. Die Zwillingsseen , kapiert ihr? Das passt doch. Und da Adams Großvater der älteste von den Aufpassern ist, wird er den Ein- und Ausgang bewachen.« Sie zog eine Puderdose aus ihrer Tasche und trug ihren beerenfarbenen Lipgloss auf. »Außerdem haben wir noch die vier Führer.«
    Sie warf einen prüfenden Blick in den kleinen Spiegel und schien zufrieden zu sein. »Ziel des heutigen Abends ist es herauszufinden, was Luis gerne isst«, gestand sie mit gedämpfter Stimme. »Ich werde eine Silvesterparty geben und ihm mit meinen kulinarischen Fähigkeiten den Verstand vernebeln.«
    »Dann willst du also diesen üblichen Weg zum Herzen eines Mannes ausprobieren?«, hakte Bennett nach.
    »Aber ja doch«, erwiderte Lindy und eilte mit nunmehr weitaus besserer Laune davon.
    Bennett starrte ihr nach, und ein kleines Lächeln umspielte dabei seinen Mund. »Hol ihn dir, Mädchen.«
    James studierte seinen Plan und begann zu seinem Kontrollbereich tiefer in die Höhlen vorzudringen. Obwohl er schon ein paar Mal hier gewesen war, war der erste Blick auf die Eingangskammer immer wieder atemberaubend. Er folgte dem ausgewiesenen Weg und bewunderte dabei die gewaltigen, von weiß-gelbem Licht angestrahlten Säulen. Einige der Formationen wirkten irgendwie schwammig und erinnerten an den Schimmel, der sich auf der Oberfläche verdorbenen Joghurts bildet. Andere Felsen