Chili Con Knarre
Last zu tragen, also lass ich Sie in Ruhe. Genießen Sie einfach Ihr Woodrow und melden Sie sich, wenn Sie was brauchen.«
James nickte dankbar, wusste aber, dass er Sammy auf gar keinen Fall würde rufen müssen. Der Mann war der perfekte Schankwirt. Kein Glas wurde jemals leer, ohne dass Sammy nicht bereits Nachschub vorbereitet hatte, und er stellte sich nur dann auf einen Schwatz zu einem,
wenn klar war, dass seine Anwesenheit auch erwünscht war.
Seufzend nahm James den Bierdeckel in die Hand und betrachtete das Staatssiegel. In einem weißen Kreis auf kobaltblauem Feld setzte eine behelmte Frau in einer blauen Toga siegreich ihren Fuß mitten auf die Brust ihres besiegten Opfers. Er las das lateinische Motto Sic semper tyrannis , konnte sich jedoch nicht daran erinnern, was das bedeutete. Er hielt den Bierdeckel hoch und fing Sammys Blick auf.
»Wie übersetzt man das noch mal, Sammy?«, fragte er. Der Schankwirt war nicht nur von seiner Erscheinung her ein Unikum, er war außerdem berühmt für seine Geschichtskenntnisse über Virginia. »Es bedeutet: So geht es den Tyrannen immer .« Er deutete auf die Frau auf dem Bierdeckel. »Das da ist die Tugend und in etwa die reinste Frau, die mir je zu Gesicht gekommen ist.« Sammy zog anzüglich die Brauen hoch. »Ich hätte trotzdem nichts dagegen, sie in einem Wettkampf im feuchten T-Shirt zu sehen, falls Sie wissen, was ich meine.«
Da fiel James auf, dass die Brüste der Tugend nicht gänzlich von der Toga bedeckt wurden, sondern eine gänzlich bloß war, worauf Sammy anzuspielen schien. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Speer und in der linken ein Schwert, so dass sie aussah wie eine triumphierende Amazonenkriegerin. »Sie würde Ihnen einen Tritt in den Hintern geben, wenn sie das hören könnte«, ermahnte ihn James und trank einen großen Schluck seines Pale Ale .
Der Schankwirt grinste lasziv. »Als ob ich das nicht wüsste. Und dafür liebe ich sie umso mehr.«
Ohne sich weiter um Sammy zu kümmern, trank James sein Bier und genoss den Geschmack sauberen, frischen Hopfens, versetzt mit einer Spur Banane und Orange. »Das ist genau das, was der Arzt mir verschrieben hat«, sagte James dankbar.
»Und man braucht keine Krankenversicherung, um sich das leisten zu können. Die beste Medizin der Welt, wenn Sie mich fragen.« Sammy zog James das Glas weg, obwohl es erst halb leer war. »Lassen Sie mich nachschenken, Professor.«
Die entschlossene Haltung der Tugend erinnerte James ein wenig an Lucy. In seiner aufgewühlten Verfassung verspürte er das Bedürfnis, sich jemandem mitzuteilen und wählte ihre Nummer zu Hause an, um sie ins Wilson kommen zu lassen. Sie klang erschöpft und sagte nicht sofort zu, woraufhin James ihr kurz von den Ereignissen in den Höhlen berichtete. Dann legte er auf. Missmutig grübelte er darüber nach, ob sie auch kommen würde, wenn er nicht in einen Mordfall verwickelt wäre. Bevor Lucy schließlich eintraf, hatte er vor sich hin brütend drei Biere in sich reingekippt.
Lucy platzte zur Tür herein und schlang ihre Arme um James. Sie drückte ihn kurz an sich, gab ihm einen schwesterlichen Klaps auf den Rücken und bat Sammy dann um ein Glas Wasser. Sie bedankte sich und leerte das halbe Glas auf einen Zug. »Ich versuche mindestens zwei Liter am Tag zu trinken«, erklärte sie. »Und jetzt«, ihre Kornblumenaugen glitzerten, wie James das schon seit Monaten nicht mehr an ihr gesehen hatte, »erzähl mir alles .«
Da keiner in ihrer Nähe saß, erzählte James ihr bis
ins kleinste Detail alles, woran er sich erinnern konnte. Er wusste, dass Lucy sich für jede Facette der Ereignisse interessierte.
»Oh, ich fass’ es nicht, dass ich nicht dabei war!«, rief sie voller Bedauern aus, als er geendet hatte. »Das ärgert mich total!«
»Warum?«, fragte James gereizt. »Weil du jetzt nicht an den Ermittlungen beteiligt bist?«
Lucy zuckte mit den Schultern. »Ich hätte der Polizei vielleicht helfen können, wenn ich dort gewesen wäre.«
»Du hättest ja auch dort sein können, Lucy. Wenn du nicht das dringende Bedürfnis verspürt hättest, zu deinem Gymnastikkurs gehen zu müssen …«, begann er verärgert.
Lucy warf James einen wütenden Blick zu. »Was wäre dann? Dann hätte Lindy Kinsley nicht um Hilfe bitten müssen, und Parker wäre noch am Leben? Ist es das, was du sagen willst?«
»Na ja, jedenfalls hast du Lindy im letzten Moment noch versetzt, Lucy.« Er trank einen Schluck Bier. »In letzter Zeit
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