Chili Con Knarre
scheinst du nur noch Zeit für deine Kurse, deine strenge Diät und deinen Job zu haben. Was ist aus uns bloß geworden?«
Lucy malte winzige Kringel auf die Außenseite ihres Wasserglases. »Ich stehe kurz davor, Deputy zu werden, James. Kannst du mich nicht einfach nur dabei unterstützen? Damit ich nicht ständig Schuldgefühle haben muss?«
»Unterstützung sollte keine Einbahnstraße sein«, erwiderte er gereizt. »Jedes Mal, wenn wir uns verabreden, dreht sich alles nur um dich. Wo du essen kannst,
wann du ins Bett gehen musst, dass ich besser nicht mit reinkomme.« Er kippte sein Bier in zwei großen Schlucken hinunter und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Nachdem er Luft geholt hatte, stellte er Lucy die Frage, die er ihr schon seit Monaten hatte stellen wollen, weil die vier Bier ihm endlich den Mut verliehen, sie auszusprechen. »Was ist der wahre Grund, Lucy?«
Sie richtete ihren blauäugigen Blick auf ihn und war eindeutig verdutzt. »Wofür?«
»Dafür, dass wir es in unserer Beziehung nie auf die nächste Ebene schaffen. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, du hast Angst, deine Eltern könnten nach Hause kommen und uns bei irgendwas erwischen.« Er sprach die Worte hastig aus, ehe er kneifen konnte. »Ich komme mir mehr und mehr wie dein Kumpel vor und nicht wie dein Liebespartner. Wenn du auf der Lass-uns-Freundebleiben- Schiene fahren möchtest, dann sag mir das, aber ich habe genug von diesem Zwischending. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich von uns beiden denken soll!« Der ganze Stress der vergangenen Stunden kochte in ihm hoch, und den letzten Satz schrie er fast.
Lucy packte ihre Tasche und sprang vom Stuhl. James kam nicht umhin zu bemerken, wie geschmeidig ihre Bewegung war und wie weit ihre Kleider an ihrem ständig schrumpfenden Körper herumhingen. Darüber hinaus fiel ihm auf, wie ausgezehrt Lucys Gesicht aussah. Wahrscheinlich überschritt Lucy wirklich ihre Grenzen.
»Schön, James!«, schleuderte sie ihm entgegen. »Wenn du nur darauf aus bist, mich ins Bett zu kriegen, dann sollten wir unsere Freundschaft lieber beenden.« Sie zog
ihre Bluse über die Hüften. Es war eine Bewegung, die sie gewohnheitsmäßig machte, wenn sie aufgebracht war.
In James’ Brust kochte die Wut. »Ich denke nicht nur daran, sondern das ist einfach die natürliche Entwicklung! Es ist das, was Leute tun, wenn sie ein Paar sind! Warum möchtest du diesen Schritt nicht tun?«, wollte er wissen und warf Sammy einen Zwanziger auf die Theke.
»Nicht alle Menschen müssen Sex haben, um eine erfüllende Liebesbeziehung zu genießen, James. Es gibt immer noch Paare, die warten, bis sie verheiratet sind.«
Der Begriff verheiratet schwebte über ihren Köpfen wie ein lauter Bienenschwarm. Lucy schien zu bedauern, dieses Wort ausgesprochen zu haben, und James tat so, als hätte sie es nicht getan. Eine gescheiterte Ehe war genug. Sollte er sich je wieder vor einen Altar stellen, wollte er keine Zweifel über seine Zukunft und die seiner Braut haben. Im Moment jedoch war James, was Lucy betraf, voller Zweifel. Hatte er im Lauf der vergangenen Monate etwa irgendeinen Augenblick verpasst, in dem er sich über Lucys Gefühle hätte klar werden können? Er war nicht davon ausgegangen, dass ihre Keuschheit religiös begründet war - sie ging nicht einmal in die Kirche. War er noch immer zu dick, um attraktiv zu wirken? James wandte sich von seinem Spiegelbild im quer verlaufenden Spiegel hinter der Bar ab.
Noch nie hatte ihn eine Frau in derartige Verwirrung gestürzt.
James grub seinen Zeigefinger in seine Schläfe, wo ein Kopfschmerz eingeschossen war, der sich immer tiefer in seinen Schädel bohrte. Er stöhnte, als die Schmerzen
schlimmer wurden. Ungefragt tauchte die Vision der hässlichen rot-violetten Striemen um Parkers Kehle vor ihm auf, und er schob seine Arme in seinen Mantel. Es war höchste Zeit, in die Stille seines Schlafzimmers zurückzukehren und in die Fantasiewelten eines seiner Bücher zu entfliehen.
»Das Wort hat dir wohl richtig Angst gemacht, stimmt‘s?« Lucy lachte bitter, ohne eine Spur von Humor. »Typisch Mann. Ich habe ja geahnt, dass es besser wäre, mit dir nicht über eine dauerhafte Bindung zu sprechen.«
»Ich habe bestimmt nichts gegen dauerhafte Bindungen, Lucy.« James seufzte. »Aber wir sind in letzter Zeit nicht gerade glücklich miteinander gewesen, wie soll ich da also an die Zukunft denken? Das Einzige, was wir in letzter Zeit als Paar gut hinbekommen
Weitere Kostenlose Bücher