Chili und Schokolade
zu tragen oder sie an jungen Frauen bewundern zu können, hat mir dagegen immer sehr gefallen. Ihre ersten, damals schon ungewöhnlich kreativen Modezeichnungen bewahre ich noch heute auf. Konrad dagegen sah in dem fröhlich bunten Gekritzel nur die Meyersche Familienbegabung fürs Gestalten. Er weigert sich bis heute, Jens’ und Timos Begabung anzuerkennen.
Aufseufzend wische ich den Staubsauger feucht ab, bevor ich ihn im Besenschrank verstaue. Carla hatte recht: Konrad steckt in den Macho-Traditionen seiner Familie fest. Und ich stecke mit drin! Eine beängstigende Vorstellung.
Um auf andere Gedanken zu kommen, rufe ich Ulla an. Vielleicht braucht sie ja meine Hilfe.
Es dauert eine Weile, bis sie sich meldet.
«Hallo Evelyn, wie geht’s?», höre ich sie vergnügt fragen. Ullas Fröhlichkeit ist genauso ansteckend wie belebend.
«Na, das muss ich dich ja wohl fragen. Also, wie geht es dir, was macht die Schwellung und brauchst du irgendetwas?»
«Lieb von dir, Evelyn, vielen Dank. Der Fuß liegt brav auf dem Kissen, tut kaum noch weh, und am Wochenende wird Henry mich versorgen», erwidert sie munter.
Nach einem kurzen Plausch verabschiede ich mich beruhigt. Auch wenn Ulla behauptet, an dem Unfall mitschuldig zu sein, saß doch ich am Steuer, und deshalb fühle ich mich verantwortlich. Vielleicht liegt es aber auch am Altersunterschied – sie könnte schließlich meine Tochter sein. Wie gern hätte ich eine fröhliche Tochter wie Ulla gehabt! Aber nach der Geburt unserer zwei Söhne war Konrad wunschlos glücklich. Er dachte schließlich, er hätte zwei Nachfolger für die Firma. Na, diese Annahme hat sich ja als schwerer Irrtum erwiesen. Wer weiß, vielleicht hätte ihm eine Tochter diesen Wunsch erfüllt. Aber dass Mädchen den Architektenberuf ebenfalls ergreifen können, wäre mit seinem verkrusteten Traditionsdenken wohl nicht zu vereinbaren. Seine stille Hoffnung, dass Jens und Timo eines Tages ihre Modeambitionen aufgeben und sich doch noch der Architektur zuwenden, wird sich jedenfalls nicht erfüllen.
Den Beweis für diese Vermutung bringt gegen Mittag der Postbote: ein Päckchen von JETI ! Gespannt öffne ich die Sendung und finde darin eine flauschige Strickmütze in dunklem Lila, ähnlich der Schuhe, die Tina Preysing auf der Dinnerparty getragen hat. Dazu ein Foto, wie die Mütze aufzusetzen ist, und ein kurzer Brief der Designer:
Liebe Mami, liebes Mamilein,
anbei ein Stück aus unserer ersten Stickkollektion, für die wir als Jahrgangsbeste ausgezeichnet wurden! Wir würden uns freuen, wenn sie dir gefällt und du sie tragen würdest. Übrigens: Lila ist in dieser Saison das neue Schwarz. Viele Küsse und Umarmungen schicken dir
Deine Söhne (zwei aufgehende Sterne am internationalen Modehimmel ;-o)
Gerührt und gleichermaßen stolz auf meine Designer-Zwillinge probiere ich das Geschenk natürlich sofort an. Erstaunlicherweise macht mich die Farbe nicht blass, wie ich befürchtet habe. Sie lässt mich sogar frischer aussehen. Für warme Kopfbedeckungen ist es aber noch nicht kalt genug, deshalb lege ich sie vorerst zu meinen anderen Wintersachen – und mache eine irritierende Feststellung: Zwischen all den hellbeigen und hellgrauen Schals, Handschuhen und Mützen sieht diese farbenfrohe Kopfbedeckung aus wie Konfetti in schmutzigem Schnee.
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8
Montagmorgen gegen halb acht, kurz vor dem Frühstück, klingelt unser Festnetztelefon. Konrad weilt gerade unter der Dusche, also kann ich rangehen.
«Guten Morgen, Frau Meyer», begrüßt mich Herr Keller freundlich und eröffnet mir dann ohne lange Vorrede: «Die Chefköchin würde Sie gerne in unserem Team begrüßen.»
«Wirklich?», frage ich zweifelnd. Das ganze Wochenende hatte ich mich mental auf eine Absage vorbereitet.
Herr Keller lacht aufmunternd. «Ja, warum überrascht Sie das? Frau Stoll war von Ihrer Eigeninitiative sehr angetan. Und Ihre Ansichten über gesunde Ernährung stimmen mit der Philosophie unseres Hauses überein. Sie haben ein erstaunliches Wissen für eine nicht professionelle Köchin, meinte sie. Eigentlich seien Sie sogar überqualifiziert, aber Frau Stoll hofft, dass Sie trotzdem zusagen. Und sollte die junge Mutter nicht zurückkommen, gibt es vielleicht sogar die Möglichkeit einer Festanstellung.»
Ich kann es kaum fassen. Gut, dass ich bereits geduscht und ordentlich angezogen bin, sonst würde ich glauben, noch zu träumen. Überglücklich bedanke ich mich. «Und sagen Sie
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