Chili und Schokolade
und reicht mir die Schüssel mit dem Pesto.
Ich folge ihr damit ins Zimmer.
«Das Pesto schmeckt köstlich!», lobe ich noch während des ersten Bissens. «Es hat genau die richtige Schärfe. Du musst mir unbedingt das Rezept geben!»
«Danke, Evelyn, das sagt Henry auch immer.»
«Ach, er kocht auch gerne?»
«Nein.» Sichtlich amüsiert schüttelt Ulla den Kopf. «Er mag es einfach gerne scharf. Du verstehst …?»
«Er isst gerne scharf?», frage ich irritiert.
Ulla hebt prustend ihr Wasserglas: «Auf die naivste Frau, die ich kenne … Nein, ich
mache
ihn gerne scharf! Alles, was scharf schmeckt, macht nämlich auch scharf. Wusstest du das?»
«Oh … ja … äh, jetzt verstehe ich», stottere ich befangen. «Delikate Themen gehören nicht gerade zu meinem Repertoire.»
«Kapiert: Es ist dir peinlich», erkennt Ulla. «Dann erzähl doch mal, warum du diese Nervensäge von Mann überhaupt geheiratet hast. Was ich bis jetzt über ihn gehört habe, wären für mich nur Scheidungsgründe.»
«Er war ja nicht immer so», verteidige ich Konrad. «Wenn ich dir erzähle, wie romantisch sein Heiratsantrag war, wirst du mich besser verstehen.»
Ulla rollt eine Portion Nudeln um die Gabel. «Lass hören.»
«Also: Seit der Weihnachtsfeier in der Firma waren wir offiziell ein Paar, im August hat er mich dann zu einem Picknick eingeladen und mir nach Hummersalat und Sekt den Antrag gemacht:
Liebste Evelyn,
hat er gesagt und mir eine kleine rote Schmuckschachtel hingehalten.
Willst du meine Frau werden?
Überglücklich hab ich JA gesagt und dachte natürlich, er wolle mir einen Ring überreichen. Doch in der Schachtel lag ein kleines zusammengefaltetes Stück Papier. Konrad nahm es heraus, faltete es auseinander und erklärte:
Schau, Schneckchen, hier ist der Plan des Hauses, in dem ich mit dir eine Familie gründen möchte.
Ich war so glücklich, dass mir die Tränen kamen. Es stellte sich heraus, dass die Wiese, auf der wir picknickten, Teil seines Grundstücks war. Stell dir vor, wir haben das erste Mal auf unserm eigenen Grund und Boden gesessen!»
«Schneckchen?», wiederholt Ulla amüsiert.
«Ja, weil ich so häuslich bin», erkläre ich verschämt.
Ulla schenkt Wasser nach und überlegt halblaut. «Nur Sekt und kein Ring», grummelt sie vor sich hin und wendet sich dann zu mir: «Im ersten Moment hört sich das ja wirklich hochromantisch an … ein Picknick im Grünen, Kosenamen, Heiratsantrag … aber mir fällt dazu nur ein arabisches Sprichwort ein: Wenn Männer Häuser für die Familie bauen, wird es für die Frau schnell zum Gefängnis! Es gibt einen Haken an diesem seltsamen Antrag. Ich weiß zwar noch nicht, wo der sitzt, aber vielleicht pikst er dich schon seit Jahren.»
«In arabischen Ländern kann ein Haus vielleicht zum Gefängnis werden, aber doch nicht hierzulande», entgegne ich, und dann fällt mir noch etwas sehr Romantisches ein, um ihre Einwände zu entkräften: «Konrad hat bei der Geburt der Zwillinge geweint und mir dafür gedankt, dass ich ihm gleich zwei Söhne geboren habe.»
Verwundert fragt Ulla: «Im Kreißsaal?»
«Nicht direkt, er war ja bei der Geburt nicht dabei», erkläre ich. «Aber kurz danach, als er unsere Söhne zum ersten Mal im Arm gehalten hat. Beide sollten Architekt werden, um die Tradition fortzuführen und die Firma zu übernehmen.»
«Fandest du das etwa auch romantisch?» Sie klingt beinahe entrüstet.
«Ja … schon», antworte ich zögernd. «Es klang nach Beständigkeit und Sicherheit. Meine Mutter musste mich alleine großziehen. Es war schwer für sie, wir hatten mehr Existenzängste als Staubmäuse …»
«Ach, das kenne ich», unterbricht mich Ulla abwehrend. «Meine Mutter war auch alleinerziehend. Ich habe meinen Vater nie gesehen, es gibt weder ein Foto von ihm, noch hat er jemals Unterhalt für mich bezahlt. Deshalb habe ich auch einen Vaterkomplex, so viel weiß ich. Aber was hat das mit Romantik oder Liebe zu tun?»
«Das Leben meiner Mutter war voller Sorgen und Nöte, an denen sie viel zu früh gestorben ist. So wollte ich auf keinen Fall leben. Schon als kleines Mädchen habe ich mir geschworen, mich nie in einen armen Mann zu verlieben: von großen Gefühlen kann man nämlich nicht satt werden. Doch in einer alteingesessenen Familie mit Traditionen und gesicherter Existenz kommt die Liebe von ganz allein.»
Nachdenklich stellt Ulla unsere leeren Teller zusammen und trägt sie in die Küche. Ich folge ihr.
«Schon klar»,
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