Chili und Schokolade
eigentlich eine aufregende Geschichte erzählen. Du bist doch sozusagen Fachfrau in Sachen Kochbuch!»
«Na ja, meine Sammlung ist schon beachtlich», erwidere ich nicht ohne Stolz.
Ulla erhebt sich, um eine Schale ihrer frisch zubereiteten Schokopralinen aus dem Kühlschrank zu holen. «Hier, sie sind diesmal mit Amaretto aromatisiert. Also, ich wollte dir von meinem Onkel Bertram erzählen, das ist der Bruder meiner Mutter. Er heißt auch Bronner wie ich», fügt sie noch schnell an, als ich sie fragend ansehe. «Onkel Bertram hat einen kleinen Kochbuch-Verlag, der nur so lala läuft.»
«Tatsächlich?», wundere ich mich und genehmige mir eine der köstlichen Pralinen. «Ich dachte, das Geschäft mit Kochbüchern läuft gut. Ich lese jedenfalls viel lieber Rezepte als Romane und kaufe mir mindestes ein Kochbuch pro Monat. Konrad spottet immer, dass wir meine monströse Sammlung in einer Notlage verkaufen und uns damit über Wasser halten könnten.»
«Seltsamer Humor», findet Ulla und fährt fort. «Nun, Onkel Bertram war gerade auf der Buchmesse, es lief wohl nicht so super. Und deshalb braucht er unbedingt einen Bestseller, sonst geht er demnächst pleite. Jedenfalls kam er auf die geniale Idee, ein erotisches Kochbuch herauszugeben. Sex sells, weiß man ja.»
Auch auf die Gefahr hin, wie eine komplett doofe Hausfrau zu erscheinen, platze ich dennoch damit heraus: «Sex in der Küche?»
«Na ja, inzwischen wird doch überall gekocht, nur in der Tagesschau noch nicht», erwidert Ulla amüsiert und zupft den V-Ausschnitt ihres rosa Pullis zurecht. «Warum also nicht kochen und übereinander herfallen? Vorher, nachher oder … Jedenfalls dachte ich, du könntest vielleicht wertvolle Tipps haben.»
«Ich? Äh … nein», stottere ich. «Da kann ich wohl kaum behilflich sein, wenn überhaupt, kennst du dich in dieser Branche doch besser aus. Schließlich warst du ja
beinahe
mal ein Callgirl.»
Lächelnd greift Ulla nach einer Schokokugel. «Stimmt, aber in diesem Fall geht’s nicht direkt um Sex. Um genau zu sein, geht es um Rezepte mit aphrodisisch wirkenden Zutaten. Rezepte für Verliebte, Verlobte, Verheiratete und alle, die einen romantischen Abend auf besondere Art zelebrieren möchten. Für dieses Projekt sucht Onkel Bertram nun ein Callgirl, also eine Frau vom Fach. Aber eine, die exzellente Kochkenntnisse besitzt. Und weil er von meiner Erfahrung in der Begleitagentur weiß, hat er mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, die Kochrezepte zu schreiben und … na ja, in der Öffentlichkeit das Callgirl zu spielen und –»
Konsterniert unterbreche ich ihren Redefluss: «Will er dich etwa in Strapsen und Kochschürze oder gar nackt an den Kochtopf stellen?»
Kichernd stippt Ulla mit den Fingern einige Schokobrösel vom Tisch. «Schräge Vorstellung. Aber nein, davon war nicht die Rede, es geht nur um die Vermarktung des Buches. Onkel Bertram meint: Eine schöne Frau aus der Erotikbranche, die noch dazu gut kochen kann, würde allergrößtes Medieninteresse wecken. So würden heutzutage nun mal Bestseller gemacht, hat er mir erklärt. Neben den unzähligen Neuerscheinungen, deren Autoren ja fast alle berühmte Sterne- oder Fernsehköche sind, braucht er einen Knüller, um sich aus der Masse hervorzuheben. Nur so kommt richtig Geld ins Haus.»
«Und wenn es doch kein Bestseller wird?»
Leichthin zuckt sie die Schultern. «Luftschlösser kosten ja nix. Aber die Idee ist doch oberprima, oder? Könnte glatt von mir sein», stellt sie heiter fest.
«Stimmt! Hört sich nach einer deiner Blödsinn-Ideen an», sage ich lachend. «Aber was kann eine schlichte Hausfrau wie ich dir dazu noch raten?» Gespannt sehe ich sie an.
Ulla blickt aus dem Fenster. Ihr Ausdruck wirkt besorgt. «Es ist wegen Henry … der hat doch keine Ahnung, dass ich mal in einer Begleitagentur gearbeitet habe. Na ja, und ich befürchte, dass er mir nicht glaubt, wie harmlos die ganze Sache letztlich war. Und am Ende kommt er noch auf die absurde Idee, ich wäre tatsächlich mit Tausenden von Männern ins Bett gehüpft. Dann platzt mein Traum von einer gemeinsamen Zukunft aber garantiert.»
Unbeabsichtigt entfährt mir ein leises: «Merde.»
«Ja, genau, Merde», wiederholt Ulla stöhnend. «Ich finde diese Callgirl-Idee nämlich wirklich obergenial und würde meinen Onkel gerne unterstützen. Doch egal, wie lange ich auch darüber grüble, es gibt keine Lösung für mein Henry-Problem. Ich werde absagen müssen, es sei denn,
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