Chili und Schokolade
müssen.
Geduscht und angekleidet öffne ich wenig später die Tür.
«Guten Morgen, Evelyn. So ein Sauwetter, was?», begrüßt mich Eulalia.
Hinter ihr sehe ich Carla, die mir aufgeregt zuwinkt und etwas ruft, was ich nicht hören kann. Ich lasse Eulalia ins Haus, ziehe mir einen Mantel über und laufe durch einen grauen Schleier aus feinen Regentropfen zu ihr hinüber.
Mir ist zwar nicht nach einem oberflächlichen Plausch, aber ich bin froh, Eulalias Röntgenblick erst mal entkommen zu sein. Ob Carla schon von dem Skandal gehört hat?
In einem lachsrosa Hausanzug aus weichem Fleece steht sie im Hauseingang. Einen Moment lang sieht sie mich staunend an, und schlagartig wird mir bewusst, dass wir uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen haben.
«Meine Güte, Evelyn, du siehst ja furchtbar aus. Also, bis auf die neue Frisur, die dir wirklich ausgezeichnet steht.»
«Ja, ich war … äh beim Friseur», erkläre ich.
«Und woher stammen diese Augenringe?», fragt sie neugierig und zieht mich ins Haus. «Ich will jetzt sofort wissen, was los ist. Und wer ist überhaupt diese junge Person, die gestern einen Müllsack bei euch abgeholt hat? Himmel, was hat die ein Theater vor der Tür veranstaltet! Ich will sofort alle Einzelheiten wissen. Dafür mach ich dir sogar eigenhändig einen Kaffee. Frau Stettner ist noch unterwegs, Einkäufe erledigen.»
Dass die ordnende Hand ihrer Haushälterin fehlt, hätte ich auch ohne Carlas Erklärung bemerkt. Es herrscht ein gemütliches Durcheinander aus herumliegenden Zeitungen, benutztem Geschirr, Papierservietten und zerknüllten Kissen. Es ist unordentlich, aber nicht schmutzig.
Während Carla Kaffee in den Filter einfüllt und dabei einiges danebengeht, beginne ich erschöpft zu berichten. Von Konrad. Von Henry, von Ulla und der Schwangerschaft. Unbeabsichtigt gebe ich dabei mehr Einzelheiten preis, als mir lieb ist.
«Unglaublich!», schnauft Carla empört. «Wie konnte Konrad dir nur so etwas antun? Aber die ganze Story ist absolut filmreif. Da sag noch einer, ein Hausfrauenleben wäre langweilig.»
Filmreif oder nicht, ich fühle mich von einer großen Last befreit. Es hat gut getan, einmal darüber zu sprechen und alles loszuwerden. Auch wenn Carla die Geschichte offensichtlich aufregender findet als ich.
«Ich weiß einfach nicht, wie es jetzt weitergehen soll», gestehe ich am Ende meines Berichts. «Ständig muss ich daran denken, dass Konrad plötzlich vor der Tür stehen könnte.»
«Keine Panik, Evelyn», beruhigt mich Carla. «Den wirst du so schnell nicht wiedersehen. Männer sind feige. Konrad wird sich mit der Tussi in seine neue Wohnung verkrochen haben. Den siehst du erst vor dem Scheidungsrichter wieder.»
Bei dem Wort Scheidung breche ich in Tränen aus. «Aber … Ich kann mir gar keinen Anwalt leisten», schluchze ich. «Das Geld dafür wollte ich doch eigentlich –» Ich stocke. Von dem Callgirl-Projekt erzähle ich Carla besser nichts. Hinterher werde ich noch als unzurechnungsfähig abgestempelt.
Carla hebt erstaunt die Augenbrauen. «Na, du bist vielleicht naiv. Für derartige Fälle gibt es doch Fachanwälte! Experten, die einer schwachen Ehefrau zu ihrem Recht verhelfen können. So einen musst du dir suchen! Konrad wird schon sehr bald bitter bereuen, dich so gemein hintergangen zu haben.»
Bei Kaffee und einem kleinen Imbiss, den Carla mir selbst zubereitet, blättert sie in ihrem privaten Telefonbuch und nennt mir eine Anwältin, die sich auf Fälle wie meinen spezialisiert hat.
Ich wundere mich gerade, dass sie derartige Kontakte hat, als sie ironisch erklärt: «Es ist eben nie verkehrt, einen guten Scheidungsanwalt zu kennen.»
Auch wenn Carla wahrscheinlich recht hat mit ihrer Einschätzung, was ein entsprechendes Verfahren angeht, macht mich das alles furchtbar nervös. Aber sie bestärkt mich darin, die Sache vernünftig anzugehen und mir Hilfe zu suchen. Außerdem rät sie mir, meine Schwiegereltern aufzusuchen. Vielleicht können sie auf Konrad Einfluss nehmen und dafür sorgen, dass er sich mir gegenüber fair verhält.
Ob Konrad wohl noch im Krankenhaus liegt?, frage ich mich auf der Fahrt durch den dichten Novembernebel zur Villa von Alma und Arwed.
Das Anwesen liegt in der Nähe des Prinzregentenplatzes und damit auch nahe der Meyerschen Firma. Licht dringt aus den Fenstern der feudalen Villa, die in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen erbaut, aber natürlich längst renoviert wurde. Da Alma unangemeldete
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