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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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wegschmeißen und neue kaufen. Also lieber gleich ein paar Euro mehr investieren. Ach ja, liebe Junglehrerinnen: BH nicht vergessen!
    Frau Dienstag schwört auf Blusen. Vorne zugeköpft ist gar nicht schlecht, denn man darf nicht vergessen, dass man – vor allem beim Frontalunterricht – ja allen Blicken ausgeliefert ist. Und auch wenn die Schüler nicht zuhören oder mitmachen, eines tun sie ganz sicher – sie werden dich von oben bis unten mustern. Und wenn das Hemd zu durchsichtig oder der Pullover dreckig ist, dann weiß das gleich die ganze Schule. Apropos Pullover: Liebe nicht mehr ganz so junge Lehrerinnen, bitte keine Pullover mit Teddybär-Applikationen tragen!
    Meine Idealvorstellung vom perfekten Lehreroutfit ist eine hautenge Art Rüstung, wie ein Korsett aus irgendeinem tragbaren Metall. Könnte so geschnitten sein wie eine Stewardessenuniform, in dunkelgrau, und da müssten so Stäbe drin sein, die einen aufrichten, damit man immer ganz gerade steht. Habe ich aber noch nicht gefunden, und so begnüge ich mich mit den spießigsten Kostümchen, die ich in den Damenoberbekleidungsabteilungen der Kaufhäuser finde. Ich habe mir sogar extra eine Brille mit Fensterglas gekauft, damit ich lehrerinnenmäßiger aussehe. Und trotzdem fragte mich letztes Jahr ein Schüler, ob ich eine Praktikantin bin. Haare unbedingt hochstecken, am besten Dutt. Und die Schuhe nicht zu flach, die Schüler müssen dich schon am Klackern deiner Absätze erkennen.
    Und die Herren …was ist nur los mit euch Lehrern? Warum seid ihr so schlecht angezogen? Meint ihr wirklich, den Schülern fällt nicht auf, dass ihr nur zwei labbrige Cordhosen besitzt, mehrere Tage dasselbe Hemd tragt und eure braunen Lederslipper irgendwie nicht mehr angesagt sind … An der Schule werden modische Trends gesetzt! Macht mal mit! Und was soll das eigentlich immer mit diesen speckigen Schweinsledertaschen?
    Ständige Überraschungen
    Es regnet in Strömen. Ich denke: Na, wird wohl keiner zur ersten Stunde kommen – regnet ja, könnten sie ja nass werden. Aber um acht sind alle da, und die Hälfte der Schüler hat einen Regenschirm, die andere wasserdichte Übergangsjacken.
    Dann kommt Herr Werner in der Pause auf mich zu und er zählt, wie toll meine Klasse gestern mitgemacht hätte. Nicht nur vom Verhalten her, auch ihre Beiträge seien super gewesen. Und Frau Hinrich sagt, dass alle pünktlich und lieb waren. Normalerweise werde ich von Frau Hinrich, die meine Klasse in Deutsch unterrichtet, immer mit der Anzahl der fehlenden Schüler begrüßt. »Guten Morgen Frau Hinrich.« – »Frau Freitag, wieder haben sieben Schüler gefehlt und drei kamen zu spät.«
    In der zweiten großen Pause führe ich ein Elterngespräch mit einer Mutter, die sich selber eingeladen hat und mir damit leider meine Pause nimmt. Allerdings verläuft das Gespräch gut und endet mit vielen Versprechungen und gegenseitig vereinbarten Kontrollmechanismen: Ich soll in Zukunft immer sofort anrufen, wenn was ist. Der Sohn wirkt in der Schule so, als hätte er keine Eltern, aber die Mutter ist sehr interessiert am schulischen Werdegang ihres Kindes – trotz großer Verständigungsprobleme. Sie spricht kaum Deutsch, hat dafür aber gleich eine Übersetzerin zum Gespräch mitgebracht. Das ist bei uns an der Schule nichts Außergewöhnliches. Man freut sich allerdings besonders, wenn die Übersetzer schon volljährig sind.
    Aber dann der krönende Abschluss des Tages – Kunstunterricht in meiner Klasse. Während die anderen arbeiten, hockt sich Esra neben das Lehrerpult. Esra trägt Kopftuch, aber nicht ständig dasselbe, sondern jeden Tag ein anderes und immer mit Glitzer und farblich abgestimmtem Schmuck dazu. Mein Freund nennt diesen Stil Disco-Islam.
    »Frau Freitag, Samira und ich lesen doch gerade Anne Frank und das ist ja sooo schrecklich, wie die die Juden behandelt haben.« Ich erinnere mich dunkel daran, dass die Deutschlehrerin mit meiner Klasse ein neues Buch anfangen wollte: »Lest ihr das jetzt in Deutsch?«
    »Nein, das haben wir uns aus der Bücherei ausgeliehen. Und das ist so ein gutes Buch. Aber alles so schrecklich. Die Juden durften ja nicht mehr rausgehen abends.«
    »Ja, ich weiß. Esra, verstehst du jetzt, warum wir nicht wollen, dass ihr ›Jude‹ als Schimpfwort benutzt? Weil die Deutschen doch damals so gemein zu den Juden waren.«
    »Ja, ich mach das auch nicht mehr.« Damit trottet sie wieder an ihren Platz. Ich starre ihr verwirrt hinterher. »Weil

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