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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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sich auch wieder und werden später ruhiger und zuverlässiger. Wahrscheinlich haben wir die falsche Idealschülerschaft vor Augen. Wir gehen immer von Standards aus, die wir vielleicht einfach vergessen sollten. Der ideale Schüler ist bei uns ein heiliger Alles-Mitmacher, den es wahrscheinlich nicht mal an den elitärsten Gymnasien gibt. Wir sollten einfach mal anfangen, die Schüler so zu sehen, wie sie sind, und uns dann überlegen, wie wir sie am besten auf ihr späteres Leben vorbereiten können. Wir sollten uns nicht immer aufregen, wenn fünf Leute zu spät kommen, sondern uns darüber freuen, dass der Rest pünktlich ist. Nicht darüber meckern, dass viele so schlecht Deutsch sprechen, sondern stolz darauf sein, bilinguale Schüler zu unterrichten. Nicht multikulti, sondern kosmopolitisch und international sind unsere Schulen. Warum ist es besser, Französisch zu können als Arabisch? Warum ist Italienisch höherwertiger als Türkisch? Und welcher Lehrer ist mit seiner Familie schon mal in ein anderes Land gezogen und muss sich täglich in zwei Kulturen bewegen?
    Ach, theoretisch ist das doch alles ganz einfach, aber in ein paar Stunden stehe ich selbst wieder vor irgendeiner Klasse und rege mich darüber auf, dass sie keine Hausaufgaben gemacht haben.
    Herbst
    Wenden wir uns wieder den wirklich wichtigen Aspekten der Bildung zu! Ist eigentlich irgendjemandem schon mal aufgefallen, wie unpassend sich Schüler kleiden? Gerade wenn die Jahreszeiten wechseln, fällt mir das auf. Den Herbst scheinen viele meiner Schüler ignorieren zu wollen, indem sie einfach konsequent ihre Sommerklamotten weitertragen. Ich sehe nicht eine leichte, aber doch wärmende Übergangsjacke. Sie kommen in dünnen langärmligen T-Shirts, manche sogar kurzärmlig. Das andere Extrem: Neulich auf dem Weg zur Schule sehe ich einen Jungen mit Schultasche und Wollhandschuhen. Und wenn es regnet, dann bleiben sie schön zu Hause, oder hat schon mal jemand einen Schüler mit einem Regenschirm oder im Regenmantel gesehen?
    Irgendwo habe ich gelesen, dass ein Indiz für die Zugehörigkeit zur, ähm …bildungsfernen Schicht, Arbeiterklasse, Unterschicht sei, sich im Sommer zu warm und im Winter zu kalt anzuziehen. Bildungsfern – das kann man auch sein, wenn man viel Geld verdient. Arbeiterkinder sind unsere Schüler nicht, ihre Eltern haben ja keine Jobs. »Hartz-IV-Kinder« – gibt es so einen Ausdruck überhaupt? Na ja, egal, sollte die Theorie jedenfalls stimmen, dann müssten unsere Schüler zurzeit in Hotpants und Bikinioberteil zur Schule kommen.
    Wo sind die Mütter, die morgens kontrollieren, dass man auch schön die Jacke zumacht oder die Jacke überhaupt mitnimmt? Wenn ich im Winterschneesturm mit Schal und Mütze in einem fetten Daunenmantel auf dem Hof meiner Aufsichtspflicht nachkomme, rennt da immer ein Haufen Schüler im T-Shirt rum. Aber dann sitzen die gleichen Schüler in einem völlig überhitzten Klassenraum und weigern sich, ihre Handschuhe auszuziehen. Sind die Schüler bei uns schon so verroht, dass sie Temperaturunterschiede überhaupt nicht mehr wahrnehmen? Erst im Mai hat Emre seine Winterjacke abgelegt, aber jetzt wird es bis Januar dauern, bis er sie wieder rauskramt.
    Ich freue mich jetzt schon auf meine Wintermantras: »Mach die Jacke zu, du erkältest dich«, und: »Zieh bitte die Jacke aus, hier ist es warm.«
    Und liebes H&M, wie wäre es mal mit richtig coolen Übergangsjacken oder, noch besser, stylischen Regenmänteln? Und bitte bringt mal neue Pullis raus. Ich kann diese Streifenteile nicht mehr sehen.
    Aber kleiden sich Lehrer eigentlich immer besonders modisch? Und warum können wir unsere Berufskleidung nicht steuerlich geltend machen? Ich habe ja, wie wahrscheinlich jeder Lehrer, meine Schulklamotten und meine Privatkleidung. Privat: so ganz leger. Aber in der Schule, da bin ich Lehrerin, da darf nix auf den T-Shirts stehen. Bei Fräulein Krise kam mal ein Kollege mit einem Böhse-Onkelz-T-Shirt in die Schule. Finde ich persönlich unpassend.
    Liebe Junglehrer, Aufdrucke wie: »Wählt die CDU – jetzt!«, »Motörhead fetzt«, aber auch: »Ökostrom – die bessere Alternative, auch wenn’s Atomstrom ist«, gehören eher in die Kategorie Privat. Kauft euch einfarbige T-Shirts fürs Unterrichten. Nicht zu eng und nicht zu weit ausgeschnitten. Und Achtung: Die ganz billigen halten dem Angstschweiß, den man bei Vertretungsstunden entwickelt, nicht lange stand, die fangen an zu stinken. Da hilft nur:

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