Chill mal, Frau Freitag
Einstellungsgespräch gefragt. Du kriegst doch gar keinen Job,
wenn du so was nicht weißt.«
»Kein Problem, Frau Freitag, ich heirate einen reichen Mann.«
Langsam bin ich echt genervt: »Aber Miriam, welcher reiche Mann möchte denn eine dumme Frau heiraten.« Miriam schmollt. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob sich da nicht der eine oder andere reiche Mann finden ließe. Miriam ist sehr hübsch, immer top geschminkt und kann unheimlich verführerisch gucken, da stünden ihre Aktien auf dem Heiratsmarkt bestimmt gut.
Mal ehrlich, ist es denn ein Wunder, dass die Schüler nichts lernen? Die Lehrpläne müssen überarbeitet werden! Alles muss schülerrelevanter werden, mehr Lebensweltbezug! Mehr Klafki! Momentan klafft doch nur eine riesige Schlucht zwischen den Lehrplänen und dem, was die Schüler wirklich interessiert, was sie wollen und können. Wir brauchen neue Unterrichtsfächer!
Hier meine Vorschläge: Die neuen Hauptfächer sind Unterrichtstören , Zuspätkommen und Kein-Arbeitsmaterial-Dabeihaben, was sich aus den Teilbereichen Nicht-am-Sport-teilnehmen-weil-Sportzeug-Vergessen und Gar-nichts-Mithaben zusammensetzt. Im Fach Mitschüler-Ärgern mit den Teilbereichen Schlagen und Mobbing kann jeder Schüler mitarbeiten. Das neue Unterrichtsfach Lügen überfordert nur wenige Schüler, und es gibt auch nur zwei Ich-war’s - nicht -Tests pro Halbjahr. Und eine schlechte Note in Counterstrike oder Facebook kann mit guten Leistungen in den Fächern Es-mit-dem-Solarium-Übertreiben oder in Schlecht-geschminkt-Sein ausgeglichen werden. Besonders schülerorientiert, gerade in den weiterführenden Schulen, sind natürlich die neuen Fächer Schlafen , Chillen und Mit-dem-Nachbarn-Reden .
Prüfungen gibt es allerdings nur in Arbeitsverweigerung und Schwänzen. In den Wahlfächern Den-Lehrer-Fertigmachen und Schuleigentum-Zerstören hat jeder Schüler die Möglichkeit, seinen individuellen Interessen und Fähigkeiten nachzugehen. Natürlich gibt es Förderunterricht für schwierige Fächer wie Nur-Scheiße-Labern und Gar-nichts-Checken .
Als AGs werden dann Deutsch , Mathe und Englisch angeboten. Kunst , Musik und Sport braucht sowieso kein Mensch, weil die Kreativität ja bereits fächerübergreifend in alle neuen Unterrichtsfächer einfließt.
Ich bin sicher, die neuen Fächer werden von den Schülern sofort angenommen und die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems wäre schon nach einem Jahr vollzogen, denn jeder Schüler besteht das Abitur; Zensurenkonferenzen werden eine wahre Freude für jeden Schulleiter. 100 Prozent Lernzuwachs, 200-prozentige Planerfüllung. Alle haben das Klassenziel erreicht. Schüler und Lehrer gehen wieder gerne zur Schule. Die Jahrgangsbesten wollen alle Lehrer werden. Auf RTL und PRO7 laufen Castingshows wie »Germany’s next Top-Teacher«, und wer rausfliegt, weint: »Das war mein Traumberuf. Schon immer!«
Du Spast
Die Schüler haben ein neues Wort. Das Wort heißt: Knecht. Wer früher ein Opfer, ein Hund, eine Missgeburt oder ein Spast war, ist heute ein Knecht. Gebraucht wird dieser Ausdruck einfach nur als eine Art Feststellung.
Erol zu Mohamad: »Hakan glaubt, dass es World of Warcraft auf türkisch gibt.« Mohamad: »Knecht.«
Oder Kevin zu Sabine: »Stefan geht zu Mathe.« Sabine: »Knecht.«
Nun könnte man denken, schön, dass die Schüler wieder alte deutsche Begrifflichkeiten benutzen. Nach Knecht kommt vielleicht noch Magd, Abt oder Amme. Sind sie also endlich in Deutschland angekommen? Benutzen mittelalterliche Wörter und merken es nicht mal. Ich schätze, dass die Schüler gar nicht wissen, was ein Knecht ist. Leider habe ich sie noch nicht gefragt, aber ich bin schon sehr gespannt, welche Definitionen sie mir anbieten werden. Unsere Schüler haben nämlich die Angewohnheit, Wörter zu verwenden, deren Bedeutung sie nicht kennen, oder noch besser: deren Bedeutung sie völlig falsch interpretieren.
Eine der Lieblingsbeschimpfungen aller Schüler ist ja Spast. Jedes Mal, wenn ich das Wort höre, frage ich die Schüler: »Weißt du denn, was ein Spast ist?« Und ich bekomme immer die gleiche Antwort: »Ja, klar. Ein Spast ist ein kleiner Vogel.«
Da steht ein riesiger arabischer Schüler vor mir, wahrscheinlich mit Totschläger und Messer in der Tasche und einer fetten Schüler- und Polizeiakte, und denkt, ein Spast sei ein kleiner Vogel. Und das Komische daran ist doch, dass er »kleiner Vogel« auch noch allen Ernstes als Schimpfwort
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