Chill mal, Frau Freitag
lecker kochen, essen müssen doch die Schüler selbst, oder etwa nicht?
Wäre ich Frau D! Soost wäre alles leichter: »Das ist dein Traum. Du willst hier gewinnen. Du willst ein Teil von Popstars sein. Fang jetzt verdammt noch mal an zu arbeiten!« Ich möchte auch nach jeder Stunde einen Schüler aus dem Kurs rausschmeißen dürfen: »Tja, Samira, die anderen waren einfach besser als du. Dein Leben geht weiter, aber nicht hier.« Und dann könnten sie sich heulend in den Armen liegen und sich theatralisch verabschieden. Ich hätte auch feuchte Augen bei einigen, bei manchen würde ich innerlich hämisch grinsen.
So könnte mir das gefallen. Es gäbe auch nur zwei Gewinner am Ende. Nach einem Schuljahr zwei Schüler zum Realschulabschluss zu führen, das würde ich vielleicht noch hinkriegen. Und dann könnte ich am Ende mit stolzgeschwellter Brust den Siegern in den Armen liegen und mich feiern lassen.
Aber noch mal zum Busfahrer: Ich wäre schon schuld daran, wenn Herr Meier einsteigen will, um pünktlich zur Arbeit zu kommen, es aber nicht kann, weil ich mit meinem Bus Verspätung habe. Oder wenn ich eine ganz andere, nicht angegebene Strecke fahre. Aber ich wäre nicht für die Schwarzfahrer verantwortlich. Ich dürfte auch Leute von der Beförderung ausschließen, die sich im Bus nicht benehmen. Ich müsste niemanden zum Ziel bringen, der den Bus beschädigt oder mir die Scheiben mit dem Totschläger zertrümmert.
Ich würde jeden Tag stur meine Strecke abfahren, die Türen öffnen und schließen, ab und zu die Rampe rausholen und wer schön artig einsteigt, sich hinsetzt und benimmt, der wird von mir auch pünktlich ans Ziel gebracht. Und die anderen eben nicht. Wer gar nicht einsteigen will, der verrottet halt an der Haltestelle. Es könnte doch alles so einfach sein.
Wissen ist Macht
Und Macht macht echt Spaß. Heute habe ich ein herrliches Elterngespräch geführt. Also nicht direkt ein Elterngespräch, eher ein Mutter-mit-Übersetzerfreundin-Gespräch. Es ging um Abdul im Allgemeinen und seine Nichtleistungen im Besonderen. Die Mutter versteht zwar einigermaßen Deutsch, spricht aber nur Arabisch. Die Übersetzerfreundin-Tante – sie war auch schon mal die Cousine, bei den Verwandtschaftsverhältnissen der arabischen Großfamilien blickt keiner so richtig durch – ist jedenfalls immer dabei. Mutter mit Kopftuch, die Freundin sehr modern und sehr temperamentvoll. I love it! Immer wenn ich von Abdul erzähle, davon, was er alles macht, wenn ich von den schlechten Sachen berichte und davon, wie er die guten Sachen gar nicht erst versucht, dann liefern die mir eine Show, die sich gewaschen hat. Ich sage was, dann fragt die Tanten-Freundin nach, schüttelt entsetzt den Kopf und berichtet dann wild gestikulierend der Mutter. Die fuchtelt genauso aufgebracht mit den Armen rum und stimmt eine Art arabisches Klagelied an. Es wurde auch schon oft geweint.
Heute frage ich so zum Einstieg: »Und, hat Abdul was von unserem Ausflug erzählt? Dass wir bei dieser Organisation waren?«
Tante: »Ja ja, das hatte doch vier Euro Eintritt gekostet.«
»Nein. Das war umsonst.«
»Waaas? Kein Eintritt?« Arabisch, Arabisch, Arabisch. Mutter guckt mich mit weit aufgerissenen Augen an und wird auf Arabisch ganz wild.
Ich frage: »Hat denn Abdul gesagt, dass das Geld gekostet hat?«
»Ja, der hat gesagt vier Euro Eintritt. Und letzte Woche, der Ausflug, 3,50 Euro?«
»Neee, da waren wir Wandern, das war auch ohne Geld.«
Jetzt verengen sich die Augen der Tante und sie grinst, während sie alles der entsetzten Mutter übersetzt. Die weiß gar nicht mehr, was sie sagen soll, und schnappt nach Luft. Abdul kann sich freuen, wenn die beiden heute nach Hause kommen. Ich sage: »Na, Taschengeld braucht er ja jetzt erst mal nicht. Das kann ja jetzt verrechnet werden.« Dann geht es ihm weiter an den Kragen. Seine schlechten Zensuren. In mehreren Fächern Ausfälle. »Haben Sie denn den Brief nicht bekommen, den ich Ihnen geschickt habe?«
»Brief? La-a. La-a.«
Ich glaube, das heißt »nein«. Auch ohne Übersetzung wird klar, dass der Brief nicht bei seinem Adressaten angekommen ist. Dann reden wir eine Weile über Abduls mangelhafte Leistungen und seine enorme Faulheit. Minutenlang wird lamentiert und arabisch gejammert. Irgendwann schlage ich vor: »Sperren Sie das Internet! Bis Weihnachten, und es wird erst wieder angemacht, wenn er von jedem Lehrer drei positive Rückmeldungen hat. Schriftlich.« Das finden die
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